Donnerstag, 8. November 2007

Inspirationsquellen, Alliterationen und auffällige Wörter

Vielfach wird die Frage gestellt, woher Autoren eigentlich ihre Ideen für Romane, Erzählungen, Kurzgeschichten usw. nehmen. Bei mir setzt sich dies aus verschiedenen Komponenten zusammen:

· das reale Leben, persönliche Erlebnisse,

· Inspirationen durch andere Bücher oder Spielfilme,

· Schauplätze aus dem Ruhrgebiet,

· Musik.


Das reale Leben
Jeder Mensch steht in ständigem Kontakt zu anderen Menschen – seien es nun Familienmitglieder, Freunde, Bekannte, Arbeitskollegen, Vereinsmitglieder usw. – und viele davon haben ihre ganz eigenen mehr oder weniger liebenswerten Marotten und Ticks, die man ggf. in einer Geschichte auf unterhaltsame Weise unterbringen kann.

Gleichzeitig kann man auch auf persönliche Erfahrungen und Erlebnisse zurückgreifen, wobei selbstverständlich zu berücksichtigen ist, inwieweit diese für den Leser interessant sind bzw. interessant gestaltet werden können. Es ist beispielsweise uninteressant für den Leser, wenn ich lediglich erwähne, dass der Protagonist am vergangenen Sonntag bei Tante Trudchen zum Kaffeeklatsch war und dass es dort Kuchen mit Schlagsahne gab. Selbst solche eher banalen Szenen können mittels der eigenen Phantasie ausgeschmückt und ausgestaltet werden durch kleine Missgeschicke, die Art eines Besuchers zu sprechen (Dialekte, fortwährende Wiederholung von bestimmten Redewendungen, Wörtern, Lauten etc.), unvorhergesehene Ereignisse (eine Brieftaube flog durch das weit geöffnete Fenster hinein und stibitzte eine Cocktail-Kirsche von der Schwarzwälder Torte, die sie jedoch verlor, so dass sie genau in Bettinas üppiges Dekolleté fiel). Es langweilt den Leser jedoch zu Tode, wenn ich ständig nur von Aufzählungen lebe, indem ich beispielsweise schreibe:

„Tante Trudchen, wohnhaft in Katernberg, hatte eine große Kuchentafel aufgebaut. Dort gab es Schwarzwälder Kirschtorte, Käsekuchen, festen Kuchen, Kirschstreuselkuchen, Zitronenkuchen und eine gemischte Obsttorte. Wir saßen dort alle zusammen, erzählten uns, was wir in dieser Woche alles auf der Arbeit gemacht hatten, Tante Trudchen sprach von ihrem letzten Arztbesuch und Mama erwähnte, dass sie letzten Mittwoch beim Peugeout-Händler war, um sich ein neues Auto zu kaufen.“

Diese eher banalen Sätze könnten dadurch aufgewertet werden, indem vielleicht nicht alle Kuchensorten aufgezählt werden, sondern nur diejenigen, die später für den Fortgang der Geschichte interessant werden. Beispielhaft könnten Erlebnisse am Arbeitsplatz aufgegriffen werden (z. B. dass der überkorrekte Pförtner sich selbst ausgesperrt hat, eine skurrile Unterredung zwischen Chef und Untergebenem, Witze, die am Mittagstisch im Kollegenkreis erzählt wurden) oder der Besuch des Autohauses könnte etwas detaillierter erzählt werden, ggf. mit lustigen Begebenheiten (der Autoverkäufer schielte, so dass er mit seinem linken Auge in seine rechte Brusttasche gucken konnte, der Hund anderer Kaufinteressenten hob sein Beinchen ausgerechnet am Reifen des teuersten Modells im Ausstellungsraum, jedes zweite Wort des Verkäufers war „gell?“ usw.).

Voraussetzung für eine detaillierte Beschreibung von Szenen und Personen ist jedoch eine gute Beobachtungsgabe im Alltag und natürlich die eigene Phantasie, die eine Ausgangssituation beliebig weiterspinnen kann.


Andere Bücher, Spielfilme, Zeitschriftenartikel
Um die Gefahr von Plagiatsvorwürfen und/oder Phantasielosigkeit zu vermeiden, sollte man keine reinen Nacherzählungen schreiben; es sei denn für Übungszwecke, die nicht an die Öffentlichkeit gelangen.

Oft dienen mir bestimmte Szenen jedoch als Inspiration – eine Grundidee entsteht häufig dadurch, die dann jedoch ganz speziell von mir weitergesponnen wird. Die Idee zu meiner Geschichte „Ab in die Freiheit“, die in meiner in diesem Monat erscheinenden Kurzgeschichtensammlung „Wenn es Nacht wird im Pott“ enthalten ist, kam mir beispielsweise beim Durchlesen der Zeitschrift Zukunftsblick, nachdem ich ein Interview mit einer Kundin gelesen hatte, die sich von einer Kartenlegerin beraten ließ, weil sie sich in ihrer Ehe nur noch langweilte.

Die Geschichte „Halloween“ aus meinem Debüt „Mitten aus’m Pott“ basiert zwar weitestgehend auf meiner eigenen Phantasie, greift aber bekannte Werbemotive und Filmfiguren auf. Ende der 90er Jahre wurde von dem Vogelfutterhersteller Trill der Slogan „Bin kurz Kiwi kaufen. Euer Hansi“ verwendet, der von mir in der Geschichte aufgegriffen wurde. Michael Myers und Der Weiße Hai, bekannt aus sehr erfolgreichen Filmen, kommen ebenfalls in dieser Geschichte vor. Bei Michael Myers wurde der schizophrene, mordlustige Grundcharakter unverändert gelassen, jedoch mit einigen lustigen Begebenheiten und Attributen aufgewertet. Der Weiße Hai ist entgegen der Darstellung in dem Film „Jaws“ kein blutrünstiges Monster, das nur darauf wartet, Menschen fressen zu können, der Charakter des Tieres wurde den tatsächlichen Gegebenheiten angepasst, was konkret heißt, dass viele Haiangriffe auf Menschen auf Identitätsirrtümer zurückgehen, weil der Hai einen Menschen versehentlich für eine Robbe oder eine Meeresschildkröte gehalten hat.

In meinem zweiteiligen Gruselgeschichtenbuch „Absoluter Horror“ entstand aus einer Alltagssituation (Betriebsausflug mit meinen Kollegen von E.ON) die Geschichte „Das alte Haus in Hattingen“. Der reale Betriebsausflug endete in dem erwähnten Gasthof, es wurde jedoch die Möglichkeit weitergesponnen, was passieren könnte, wenn die Teilnehmer des Betriebsausfluges gezwungen gewesen wären, sich eine Übernachtungsmöglichkeit zu suchen. Es wurden allseits bekannte Attribute aus verschiedenen Gruselgeschichten und -filmen aufgegriffen wie z. B. dichter Bodennebel (Friedhof der Kuscheltiere, The Fog – Nebel des Grauens), alte, unheimliche Häuser, Skelette, die jedoch ihre ganz eigenen, teilweise menschlichen Verhaltensweisen bekommen haben, mit Ketten rasselnde Gespenster (Hui-Bu), Bäume als Helfer der Geister (Poltergeist) u. v. m. Des Weiteren kamen Elemente aus Horrorpersiflagen wie etwa „Scary Movie“ oder aus dem Psychothriller „Das Schweigen der Lämmer“ zum Einsatz.

Die in der Sammlung „Wenn es Nacht wird im Pott“ enthaltene Geschichte „Nachtvorstellung für Charmin Bear“ entstand aus verschiedenen Elementen – aus bekannten Horrorgeschichten, einer Werbefigur, einem real existierenden Rechtsanwalt, Wirtschaftsprüfer und Steuerberater und wurde natürlich mittels meiner eigenen Phantasie weiterentwickelt. Der Anwalt selbst hat den Spitznamen Charmin Bear aufgrund seiner Statur, seiner Art sich zu bewegen und sich zu geben, erhalten. Ratten sind in vielen Katastrophen-, Krimi- oder Horrorfilmen vertreten (u. a. in Stephen Kings „Nachtschicht“), Skelette sind sowieso in vielen Gruselgeschichten vertreten und die Idee mit dem Geister-Cabrio basierte auf Stephen Kings Buch „Christine“, wobei mein Geister-Cabrio weniger mordlustig ist als Christine, sondern eher über schwarzen Humor verfügt.

Schauplätze im Ruhrgebiet
Es müssen nicht immer zwingend bekannte Sehenswürdigkeiten oder touristische Ziele sein wie etwa die Zeche Zollverein in Essen-Katernberg, das Tetraeder in Bottrop, der RWE-Turm in der Essener Südcity oder eine bekannte Zeche/Kokerei; der Reiz kann auch in alltäglichen Schauplätzen liegen wie etwa bestimmten Straßenzügen, Naherholungsgebieten oder einer Großkirmes. Das Leben selbst spielt sich auch nicht ausschließlich an bekannten Sehenswürdigkeiten ab, sondern vielfach gerade auf der Straße, in der Kneipe oder auf einem größeren Volksfest.

Musik
Ähnlich wie in Filmen kann Musik als passendes Stilmittel eingesetzt werden – bei einer Zombie-Party auf dem Haus-Horl-Friedhof in Essen-Dellwig macht sich „Livin’ after Midnight“ von Judas Priest sehr gut als musikalische Untermalung, „Hung up“ von Madonna beschreibt eine bestimmte Stimmung oder ein bestimmtes Lebensgefühl, „Alles Roger“ von den Sportfreunden Stiller ist besonders sinnvoll, wenn eine der Hauptpersonen mit Vornamen Roger heißt.

Die Geschichte „Sex, Drugs and Rock n Roll“ (in „Wenn es Nacht wird im Pott“) basiert auf meiner Lieblingsmusikrichtung Heavy Metal. Die Protagonisten sind Mitglieder einer noch recht unbekannten Band aus dem Essener Norden, die in der Zeche Carl auftritt, um neben etlichen Cover-Songs ihr erstes eigenes Album vorzustellen. Das Konzert ist nicht aus der Sicht der Zuschauer geschrieben, sondern vollständig aus Sicht der Band.

Musik kann auch als Grundidee für ein Buch stehen – das Buch „Absoluter Horror“ basiert auf einer Textzeile des Metallica-Songs „One“, worauf im Vorwort des Buches näher eingegangen wird.


Wortschöpfungen/auffällige Wörter
Bei der Namensgebung kommen bei mir häufig Alliterationen zum Einsatz, d. h. der Anfangsbuchstabe des Attributes hat den gleichen Anfangsbuchstaben wie der Vorname, wobei das Attribut natürlich den Charakter der jeweiligen Person näher spezifizieren soll. Als Beispiele kommen in meinen Büchern vor:

Der fragwürdige Frank

Der rockige Roger

Die krisenfeste Krystyne

Die artige Alex

u. v. m.

Oft kann dies natürlich auch als Ironie verstanden werden, denn wenn eine artige Alex beispielsweise gar nicht artig, sittsam und bescheiden ist, sondern makaberen Humor hat, zu Wein, Mann und Gesang tendiert, einem gelegentlichen Gläschen Alkohol nicht abgeneigt ist und zudem auch noch raucht, kann man hierbei nicht wirklich von einem artigen Charakter sprechen ;o).

Von meinen Lesern habe ich häufiger die Rückmeldung bekommen, dass ihnen diese Alliterationen gut gefallen, genau wie manche Schlüsselwörter. Derzeit erfreut sich das Wort „Fernbesamung“ aus der Geschichte „Humor ist, wenn man trotzdem lacht“ (aus „Mitten aus’m Pott“) der größten Beliebtheit und sorgt für häufige Heiterkeitsausbrüche.

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