Samstag, 29. August 2015

Wie schön, dass ich jetzt auch noch für andere mitdenken darf...

Allmählich wird mir klar, warum das Jobcenter mir für den kommenden Monat nur etwas mehr als 500 EUR an Leistungen überwiesen hat: Ich habe zwar an Honoraren in der vorläufigen Anlage EKS mehr als 300 EUR für den Monat September angesetzt, aber: die Honorare für September bekomme ich doch erst im Oktober ausgezahlt, denn Leistungen wie Löhne, Gehälter, Honorare, Renten und ALG I werden nachschüssig fällig, während Hartz IV im Voraus gezahlt wird. Das erklärt auch, warum die Auszahlung für September bereits so niedrig angesetzt wurde - offenbar wurde bei der Berechnung nicht berücksichtigt, dass die Honorare für den Monat September erst im Oktober fließen. Richtigerweise hätten die Honorare für August zur Berechnung herangezogen werden müssen, die mir aber logischerweise, da nachschüssig fällig, erst im September ausgezahlt werden. Die Honorare für August sind natürlich noch deutlich niedriger als die für die Folgemonate, aber schön, dass das Jobcenter nicht berücksichtigt hat, dass die Honorare nachschüssig fällig werden, Hartz IV aber im Voraus gezahlt wird, sodass sich dann logischerweise eine Diskrepanz ergibt.

Ich musste da an einen Satz von meinem Arbeitsvermittler denken, der mir sagte, ich sollte ihm Bescheid sagen, sobald ich eine Tätigkeit aufnehme, denn sonst würde ich einen Monat lang bis zur nächsten Gehaltszahlung ohne Geld da stehen, sodass Miete, Strom, Telefon etc. gar nicht gezahlt würden. Angenommen, jemand unterschreibt einen Arbeitsvertrag zum 1. Oktober 2015: Sein erstes Gehalt für den Monat Oktober würde er erst Ende Oktober erhalten, aber wenn die Zahlungen für Oktober bereits durch das Jobcenter eingestellt wurden, da ja ab dem 1. Oktober ein Arbeitsvertrag vorliegt, dann stünde derjenige tatsächlich einen Monat lang ohne Kohle da. Wie schön, dass ich beim Ausfüllen von Unterlagen jetzt auch noch für sog. Fachkräfte auf Jobcentern mitdenken darf...das nervt mich echt total. Denen ist es natürlich egal, wie die Leute über die Runden kommen und offenbar auch schon zuviel, mal im Voraus zu denken - Hauptsache, sie müssen nicht einen Cent zuviel an die angeblichen Sozialschmarotzer zahlen.

Ich bin ja geistig und verbal fit und kann gegen den Bescheid, so er denn bald bei mir eintrifft, Widerspruch einlegen, aber was ist mit denen, die vielleicht nicht so fit sind, egal, ob sie nun die deutsche Sprache nicht perfekt beherrschen, an Legasthenie leiden, von den ständigen Auseinandersetzungen mit dem Jobcenter schon mürbe gemacht wurden oder was auch immer?! Die sind in so einer Situation doch total aufgeschmissen und stehen dem Gebaren der Behörden eher hilflos gegenüber. Ich sehe es ja schon an meinen Nachbarn - bei deren Sohn hat das Jobcenter mal eben alle Zahlungen eingestellt, weil seine Krankmeldung für einen Termin aufgrund des damaligen Poststreiks zu spät angekommen ist, sodass seine Eltern ihn jetzt von ihrem knapp bemessenen Lohn auch noch unterstützen können. Meine Nachbarin wusste z. B. nicht, dass Fachanwälte für Sozialrecht komplett kostenlos für Hartz-IV-Empfänger sind, regelmäßig Sprechstunden hier in Essen durch solche angeboten werden und man gegen eine solche Sanktion seitens des Jobcenters auch Widerspruch einlegen kann bzw. sogar muss, denn wenn derjenige zu lange Zuwendungen durch Dritte bekommt, um schlimme Folgen wie etwa Obdachlosigkeit zu vermeiden, anstatt zeitnah Widerspruch gegen Einstellung der Zahlungen einzulegen, dann nimmt sich das Jobcenter nämlich nix mehr davon an, so nach dem Motto "Monatelang sind Sie ja auch ohne Stütze ausgekommen - warum meckern Sie denn erst jetzt?". Das System ist auch in der Beziehung ziemlich antisozial, zumal die Jobcenter darauf spekulieren, dass viele sich nicht zu helfen wissen, wenn das Jobcenter mal wieder lustige Aktionen zu Ungunsten von Leistungsbeziehern fährt.  

Ich kenne den Fall des Sohnes meiner Nachbarn zwar nicht in allen Einzelheiten, aber eine komplette Streichung der Zahlungen ist normalerweise gar nicht rechtens, wie auch das Sozialgericht Gotha festgestellt hat - normalerweise gibt's doch erstmal Sanktionen von 10 oder 20 % bei Pflichtverletzungen, wobei selbst deren Rechtmäßigkeit schon in Frage gestellt wird, zumal es sich bei Hartz IV um Hilfen zum Lebensunterhalt bzw. die Sicherung des Existenzminimums handelt. Mehr als Bewerbungen schreiben (mittlerweile mehr als 100) kann der junge Mann nun wirklich nicht - dafür, dass er gar keine Antworten bekommt oder wenn, eine Absage erst nach Monaten, kann er nun wirklich nichts.  

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