Donnerstag, 31. Mai 2012

Der Tag der Moralisten

Heute ist ja eigentlich Weltnichtrauchertag - als ich heute früh auf dem Weg zur Arbeit jedoch Radio Essen hörte, dachte ich eher, wir haben heute den Tag der Moralisten und selbsternannten Sittenwächter. Sicherlich sterben jedes Jahr eine Reihe von Menschen an den Folgen des Rauchens, das soll damit auch nicht abgeschwächt werden, aber wer spricht denn mal von der Zahl der Opfer, die direkt oder indirekt durch Alkohol versterben - sei es als Konsument oder als Opfer einer Straftat, die durch alkoholisierte Menschen begangen wurde? Dazu schweigen unsere Sittenwächter und Gutmenschen aber beharrlich, ebenso wie zu den Zahlen der Opfer, die durch Unfälle - egal, ob im Straßenverkehr oder in der Freizeit - sterben. Dazu kommt mal ab und zu was, aber so ein Aufriss wie beim Rauchen wird da nicht gemacht. Okay, rauchen soll keiner mehr wg. Nichtraucherschutz - aber Komasaufen, unter Alkoholeinfluss rumprollen, Leute anschnorren und anpöbeln bis hin zu körperlicher Gewalt ist natürlich weiterhin statthaft. Deshalb kriege ich jedes Mal das kalte Kotzen auf diese Moralapostel. Ich glaube, es gibt Wichtigeres, als sich als Sittenwächter über Raucher aufzuspielen, aber manche Damen, die sich da zu Wort gemeldet haben, haben wohl sonst keine anderen Sorgen oder sind einfach betriebsblind bzw. politikerhörig ("Das soll die Politik regeln..."). Am beschissensten wäre es noch, wenn sich eine Dame über Raucher echauffiert und die am besten direkt wegen Körperverletzung anzeigen würde, aber keine Probleme damit hätte, nen Pelzmantel zu tragen, denn Tierquälerei ist ja für manche Pappnasen nicht annähernd so schlimm wie der blaue Dunst. Selig die Armen im Geiste, aber der Deutsche braucht seine Sündenböcke, um von seinem eigenen beschränkten bis intoleranten Weltbild abzulenken: 1933 - 1945 waren es die Juden, in den 60ern und 70ern die Gastarbeiter und jetzt sind es die Raucher. Wer ist denn als nächstes dran? Kinderlose Frauen? Autofahrer? Muslimische Mitbürger - auch wenn die keine Neigung zum Fundamentalismus haben? Tendenzen in diese Richtungen sind ja leider teilweise auch schon zu beobachten.

Als Raucher ist es für mich selbstverständlich, auf Nichtraucher Rücksicht zu nehmen und ich habe auch prinzipiell nichts gegen Nichtraucher, genauso wenig wie gegen Vegetarier und Veganer, aber wenn irgendwas militant bis schwachsinnig wird, krieg ich die Krise, denn manche Nichtraucher oder Vegetarier meinen ja dann, anderen ihre Lebensweise mit leidendem Moralapostelblick und ziemlich bescheuerten Argumenten aufdrücken zu müssen. Komisch, Steffi ist Vegetarierin, Marina, Timo und ich sind es nicht - wir hatten kein Problem damit, wenn Steffi sich ein vegetarisches Gericht bestellt hat und umgekehrt hat sie uns auch nicht blöd angemacht, wenn Timo und ich uns ein Steak oder ne Pizza mit Schinken bestellt haben. Steffi ist sogar mit nem "Fleischfresser" glücklich verheiratet, ohne dass es da zu partnerschaftlichen Dramen kommt. Auch ihr kleiner Aaron bekommt als Kind Fleisch, denn sie ist der Auffassung, dass er seine Ernährungsweise später, wenn er alt genug ist, selbst entscheiden soll und sie ihm nicht einfach ihre Lebensweise aufdrücken möchte. Tolerant geht's nämlich auch, aber das setzt ein bisschen Hirn voraus.

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