Samstag, 12. Mai 2012

Eine böse Kurzgeschichte

Aus aktuellem Anlass :o)....

Außendienstmitarbeiter Ben* (*Name aus personenschutzrechtlichen Gründen geändert), gebürtiger Tscheche, bringt einem seiner Kunden ("Der Kundääää...") die Schönheit des Ruhrgebiets näher. Zu diesem Zweck spaziert er von der Kanal-Brücke auf der Stadtgrenze Essen-Dellwig/Bottrop-Lehmkuhle zum etwa 1 km entfernten Gartenlokal "Am Wasserbahnhof" an der Vondernstraße, nur einen Steinwurf von der Stadtgrenze Essen-Dellwig/Oberhausen-Borbeck entfernt.

Es ist ein schöner, heißer Tag, wobei die Nähe des Kanals den beiden Herren noch Kühlung verschafft. Wenn Ben mit seinem sehr starken Akzent zu ausschweifenden Erklärungen ansetzt ("Hier ist überall NATURRRRRR.....!"), fangen die Zitteraale im Kanal an zu zittern, die Amseln fliegen schimpfend von dannen, die Rotaugen im Wasser tippen sich an die Stirn und die Pferde auf der Koppel oberhalb des Kanals am Klaumerbruch gelegenen Reiterhofs legen die Ohren an.

Eva und Alex, die ebenfalls in der Gaststätte Am Wasserbahnhof sitzen, und zwar auf der Terrasse unterm Sonnendach, kriegen fast die Krise, als Ben mit seinem Kunden das Gartenlokal entert und sowohl seinen Kunden als auch andere Gäste mit seinen Ausführungen mehr ent- als begeistert. "Wie Sie sähen: Hier ist überall NATURRRRRRRRRRRRR! Dällwig ist ein Stadtteil von Ässen, da drieben ist schon Oberhausäään...!" Alex' Clio, der nur wenige Meter weiter friedlich am Fahrbahnrand steht, und sich mit einem 3er Cabrio unterhält, mit dem er Schnauze an Schnauze parkt, rollt mit den Scheinwerfern, genau wie der BMW, der sich wohl auch fragt, was das jetzt werden soll und ob er sich das noch lange antun muss - seine Fahrerin sitzt aber ebenfalls noch mit einer Freundin im Gartenlokal und blickt angesichts dieses Geschwafels ziemlich irritiert drein. Ben und sein Kunde bestellen sich Strammen Max (Spiegelei mit Leberkäs auf Brot + Bratkartoffeln) mit einem alkoholfreien Bier. Alex und Eva beeilen sich ziemlich, um ihren leckeren Nachtisch aufzufuttern, denn das Geschwafel geht gar nicht. Der Kundääää scheint schon fast einzunicken und auch Bens Ausführungen, dass momentan in Gelsenkirchen "Schalkääääää 04 gägän Bayär Lävärkusäään" spielt, ändern daran auch nix.

Von Norden her ziehen Quellwolken auf, die sich kilometerhoch in die Atmosphäre aufzutürmen scheinen - immerhin sind angesichts der hohen Temperaturen von über 30°C unwetterartige Gewitter angekündigt. Die weißen Wolkenberge sind mittlerweile schon von Streifen in unterschiedlichen Grautönen durchzogen.

Alex und Eva bezahlen schnell ihr Essen und latschen dann zu Alex' Clio, der sich freundlich bis erleichtert von dem 3er Cabrio verabschiedet, dann fahren die beiden zu Alex' Wohng in Gerschede, nur gut zwei Kilometer vom Gartenlokal entfernt. Das Cabrio scharrt schon mit den Reifen - wie lange muss er sich den Mist denn noch anhören? Jetzt ist der Clio auch noch weg, was ihn ziemlich frustriert. Seine Fahrerin im Gartenlokal blendet diese nervige Labertasche aber offensichtlich aus und redet mit ihrer Freundin, von Zeit zu Zeit nippen die beiden Damen an ihrer Berliner Weiße.

Über einer bleigrauen Front, die sich von Norden her den Kanal entlang schiebt, thront eine weiße Wolke, die sich noch weiter in die Atmosphäre aufzutürmen scheint. Plötzlich hallt ein mächtiger Donnerknall von Altenessen her den Kanal entlang, gleichzeitig frischt der Wind böig auf. Alle Gäste bezahlen so schnell sie können ihr Essen und ihre Getränke, denn wenig später folgt der nächste laute Donner, der nichts Gutes verspricht. Ben und sein Kunde haben in Windeseile ihren strammen Max aufgegessen. Eine Gruppe von Radlern schwingt sich auf ihre Drahtesel und saust mit einem Affentempo die Vondernstraße runter Richtung Klaumerbruch, um sich vor dem aufziehenden Unwetter in Sicherheit zu bringen. Es donnert unablässig laut, erste Blitze sind auch bereits hinter dem Bahndamm zu sehen, denn auf der anderen Seite der Vondernstraße verläuft die Trasse, auf der die S9 zwischen Essen-Steele-Ost und Bottrop bzw. Haltern am See im 20-Minuten-Takt pendelt.

Ben und der Kunde laufen so schnell sie können den Weg am Kanal entlang, denn Bens Auto parkt auf der Prosperstraße, gegenüber vom Freibad Dellwig, im Volksmund auch Hesse genannt. Bens Geschwafel geht fast in den dröhnenden Donnern unter. Über Altenessen und Vogelheim ist der Himmel beinahe nachtschwarz. Blitze zucken im Sekundentakt - eine Laser-Show in einer Disco ist nix dagegen. Selbst ein nicht beladenes Binnenschiff, das den Kanal Richtung Duisburg entlang schippert, duckt sich angesichts der hallenden Donner schon. Das wird auch nicht besser dadurch, dass Ben unablässig schnasselt...der Kunde beschwert sich, dass sie genau auf das Gewitter zulaufen, das mit Macht näher kommt. Ein Blitz hat in die Spitze des hohen Masts gegenüber vom Freibad eingeschlagen. Funken fliegen, der Donner knallt metallisch laut. Von Hesse her ist das Kreischen von Menschen zu hören. Die Emscher, die auf dem Teilstück nur durch die schmale Einbleckstraße vom Kanal getrennt ist, stinkt unharmonisch dazu. Der Kunde beschwert sich übers Wetter und den Gestank, der zu ihnen herüber weht, doch alles, was Ben dazu einfällt, ist: "Das ist eben NATURRRRRR!!" Das genervte Stöhnen des Kunden geht in einem lauten Donnerknall, der die Erde leicht beben lässt, unter.

Die Kanalbrücke in Dellwig ist bereits in Sichtweite, als der nächste Blitz in den Mast gegenüber vom Freibad einschlägt und nach einem lauten Donner, der eher an einen Kanonenschlag erinnert, prasselt der Regen los, unter den sich auch Hagelkörner mischen. Der Kunde flucht, weil sein bester Armani-Anzug nass wird. Ben heult in den Regen hinein: "Mein Kundäääää wird nass!" Der Himmel antwortet mit einem Blitz, der die Spundwand des Kanals trifft, bevor er zischend ins Wasser schlägt. Das ist eben NATURRRRR! :o))  

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