Dienstag, 30. August 2011

Als Kassenpatient Patient zweiter Klasse?

Über dieses Phänomen wird nicht nur in den Medien in der letzten Zeit verstärkt berichtet, sondern auch in zahlreichen Erfahrungsberichten unter medizinischen Bewertungsportalen. Dass es das gibt, davon bin ich überzeugt - manche Ärzte können sicherlich den Hals nicht voll genug kriegen oder tun Kassenpatienten als lästiges Übel ab, auch wenn selbige natürlich den Hauptteil der Patienten stellen, denn nicht wirklich viele Arbeitnehmer überschreiten die so genannte Beitragsbemessungsgrenze - das liegt vielfach aber nicht an zu geringem Fleiß und/oder zu geringer Qualifikation, sondern eher daran, dass manche Arbeitgeber, vielfach auch Zeitarbeit, schlecht entlohnen. Und auch, wenn jemand gut genug verdient, sodass er sich privat krankenversichern könnte, bleiben dennoch viele in der gesetzlichen Krankenkasse - als junger, gesunder Mensch mit überdurchschnittlichem Einkommen mag das ja noch ganz reizvoll sein, privat versichert zu sein, aber was ist, wenn plötzlich eine schwere bzw. chronische Krankheit, ein Unfall mit seinen Folgen und später die ganz normalen Alterswehwehchen dazu kommen? Dann sieht es nämlich schon schlechter aus mit der privaten Krankenversicherung.

Ein Sprecher der Kassenärztlichen Vereinigung Bund wies gestern u. a. in einem Beitrag zum Thema "Kassenpatienten = Patienten zweiter Klasse" darauf hin, dass sich ein Arzt erst mit seiner Praxis niederlassen kann, wenn er die Zulassung bekommt - und die hängt nämlich nicht von einigen besonders solventen Privat-Patienten ab, sondern von den ganzen Kassenpatienten. Soweit denken einige Halbgötter in Weiß aber wohl nicht, deshalb finde ich auch Berichte unverschämt, in denen Privatpatienten in Arztpraxen bevorzugt behandelt werden, auch wenn sie keinen Termin haben und der Kassenpatient trotz Termins zurückgesetzt wird oder sogar noch aufgefordert wird, die Praxis zu verlassen, wenn er sich berechtigterweise beschwert.

Ein Experte zum Thema merkte auch relativ dröge an, dass es ja nicht sein könne, dass Privatpatienten immer stärkere Schmerzen, schlimmere Krankheiten oder größere Dringlichkeit haben als gesetzlich Versicherte. Da kann ich ihm nur zustimmen, obwohl ich wirklich von Glück sagen kann, dass ich, egal bei welchem Arzt oder in welchem Krankenhaus ich war, mich niemals als Patient zweiter Klasse gefühlt habe - wobei ich selbstverständlich nicht ausschließen möchte, dass mir das nicht auch eines Tages mal passieren kann. Irgendwann ist bekanntlich immer das erste Mal. Gut, es gibt manche Sprechstundenhilfen, die sich aufspielen wie Frau Dr. persönlich und meinen, man könne seine Schmerzen oder Verletzungen nach dem Terminkalender des Arztes ausrichten, wobei ich da aber denke, dass ein solches Verhalten nix mit privat oder gesetzlich versichert nicht zu tun hat - manche fühlen sich schon wichtig, wenn sie Macht über drei Patientenakten und eine Lampe haben.

Vor sieben Jahren ist es mir lediglich einmal in der Notaufnahme des Krupp-Krankenhauses passiert, dass eine Oberärztin der Inneren mich ziemlich harsch abgewiesen hat, weil ich ihrer Meinung nach wohl im falschen Stadtteil wohnte (statt "Schönebeck" hat sie wohl "Schonnebeck" verstanden und das ist scheinbar unter der Würde der Rüttenscheider...) - dass ich nen Notfallschein von meinem Hausarzt hatte, interessierte da nicht und auch nicht, dass der junge Assistenzarzt sich richtig Mühe gegeben und sich Zeit für mich genommen hat; er war nämlich schon drauf und dran, mich stationär aufzunehmen. Es gibt einige Krankenhäuser, in denen zwar richtig gute Spezialisten für bestimmte Krankheitsbilder und OP-Verfahren arbeiten, aber die menschlich eher über den IQ einer Amöbe verfügen, wenn überhaupt. Das ist mir im Krupp-Krankenhaus aufgefallen - erst letztes Jahr, als ich in die HNO-Ambulanz überwiesen wurde nach meinem Hörsturz - und auch im Elisabeth-Krankenhaus. Zum Glück geht es auch anders - siehe in der Rheumatologie Essen-Werden. Da sind die Ärzte, und auch insbesondere der Chefarzt, nicht nur fachlich, sondern auch menschlich kompetent.

Allerdings muss ich auch mal die Ärzte in Schutz nehmen - natürlich gibt es arrogante, macht- und profitgeile Halbgötter in Weiß, denen es in manchen Fällen sogar noch an der nötigen Fachkompetenz mangelt, aber leider gibt es auch genug bescheuerte Patienten, die selbst nem gelassenen, freundlichen Arzt schon mal die Wutröte ins Gesicht treiben können. Manche wollen nur vom Chef persönlich behandelt werden, auch wenn es Ober- oder Assistenzarzt ebenso gut können, andere haben als Hobby scheinbar Wartezimmer-Hopping inklusive blödem Gelaber über ihre ganzen Wehwehchen, manche kommen schon in die Praxis oder ins Krankenhaus und wissen bereits, bevor der Arzt sie überhaupt untersucht hat, was sie haben ("Ich hab Stiche in der Schulter - kann nur ein Myokardinfarkt sein!") und lassen sich auch durch gegenteilige Diagnosen nicht vom Gegenteil überzeugen - dann ist natürlich der Arzt bekloppt, haha. Durch meine Autoimmunerkrankung bin ich ja leider gezwungen, häufiger beim Arzt zu sitzen, als ich mir unter normalen Umständen wünschen würde und da kriegt man echt genug mit, was manche Patienten - egal, ob gesetzlich oder privat versichert - da für einen Dünnschiss von sich geben. Da fragt man sich, ob manche Leute keine anderen Hobbys haben als ihre Lebenszeit im Wartezimmer von Ärzten zu verbringen und alle anderen Anwesenden mit ihrem Geseier und ihrem angriffslustigen Geier-Gesicht zu nerven nach dem Motto "Du da drüben trägst zwar den Kopf unterm Arm, aber so schlimm dran wie ich kannst du gar nicht sein". Ich bin froh, wenn ich weder Arztpraxen noch Krankenhäuser von innen sehe, und das ist nicht erst so, seit bei mir das APS diagnostiziert wurde und es manchmal Kapriolen schlägt.

Beispiele für tolle Gespräche in Arztpraxen! Älteres Ehepaar trifft andere alleinstehende Seniorin. Nach dem üblichen Begrüßungsgeplänkel, das man noch drei Straßen weiter hören kann, sagt die Seniorin: "Ach, Willi, ach, Edda, bei mir haben sie vor kurzem nen kleinen Lungentumor diagnostiziert - ich muss in zwei Wochen operiert werden..." Willi fällt ihr ins Wort: "Och, dat kenn ich! Dat hatte ich alles noch viiiiiiiiiiiiiiiel schlimmer!"

Hm, die absolute Krönung wäre noch, wenn die Seniorin sagen würde, dass sie neulich aus etwaigen Gründen bereits klinisch tot war, die Ärzte sie aber erfolgreich zurückgeholt haben. Dann würde Willi bestimmt sagen: "Och, du warst tot?! Dat kenn ich - dat hatte ich noch alles viiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiel schlimmer!"

Allerdings ist es ein Gerücht, dass ausschließlich ältere Herrschaften zu solch einem Verhalten neigen :o) - es gibt auch jüngere Menschen, die bei nem Schnitt im Finger schon beim Arzt so hysterisch rumheulen, so als wenn sie sich den Finger gerade amputiert und dabei auch noch ein lebenswichtiges Blutgefäß getroffen hätten :o). Und es gibt auch jüngere Menschen, die meinen, ihr letztes Stündlein hat geschlagen, wenn sie lediglich Kopfschmerzen haben - denn Kopfschmerzen können ja nur und ausschließlich auf nen Hirntumor *stöhn* hindeuten. Neulich standen hier zwei junge Männer auf der Hohen Straße und nöhlten sich da gegenseitig einen von ihrem letzten Arztbesuch vor, sodass ich mich augenblicklich in das Wartezimmer einer Arztpraxis versetzt sah - einer angeblich kränker als der andere, der eine hat dies Wehwehchen, der andere jenes...die haben sich da echt noch mit ihren (geistigen) Ausfällen übertrumpft. Wirklich krank kamen mir die beiden Jüngelchen aber nicht vor, und wenn, dann hatten sie höchstens einen an der Waffel.

Keine Kommentare: