Montag, 6. Mai 2013

Manche Dinge sind be-, manche entgeisternd...

Mein Vorstellungsgespräch am Donnerstag in Recklinghausen, wo ich mit dem Zug hingefahren bin, ist gut gelaufen. Ich hoffe, die Rückmeldung des Arbeitgebers fällt ebenso positiv aus, wobei ich sagen muss, dass ich ein gutes Gefühl habe - aber heute kann man sich da leider auch nicht immer drauf verlassen. Die Gesprächspartner waren mir jedenfalls sympathisch und auch das Aufgabengebiet im Bereich Sozialpädagogik hörte sich interessant und vielseitig an.

Das war ein gutes Gespräch, was man von dem am Dienstag in Bochum bei einem Personaldienstleister leider nicht behaupten konnte. Ich sollte dort hochkomplexe technische Infos in englischer Sprache an potentielle Aussteller auf Automobil-Messen vermitteln - und das dann bitte für 9 EUR/Std. Sorry, das habe ich direkt abgelehnt. Die gegelte Beutelratte im Anzug kam dann zwar mit dem Pseudo-Spruch "Bei der Zeitarbeit wird man halt nicht reich...", aber das kann er sich direkt von der Backe putzen, zumal ich auch schon bei Personaldienstleistern beschäftigt war bzw. registriert bin, die problemlos Stundenlöhne von 11 - 13 EUR zahlen plus Fahrtkostenzuschüsse und Verpflegungsmehraufwendungen. 9 EUR/Std. entspräche im Monat einem Bruttogehalt von knapp 1.500 EUR - sorry, da verdient ja schon eine ausgelernte Bürokauffrau mit Anfang 20 mehr, nämlich 1.562 EUR Einstiegsgehalt. Da hat wohl mal wieder einer gespielt "Man(n) kann es ja mal versuchen." 1.500 EUR brutto und weniger sind Gehälter, da stehe ich bei meiner Berufserfahrung und Qualifikation nicht mehr für auf. In meinen letzten Arbeitsverhältnissen habe ich ja schon netto mehr verdient als das, was ich dort brutto verdient hätte. Auf so nen Schwachsinn lasse ich mich gar nicht mehr ein - die Arbeitsagentur zahlt mir auch nicht aus lauter Dankbarkeit dafür, dass ich meine Qualifikation und Berufserfahrung verramsche, 200 EUR mehr als mir zustünden.

Als Berufsanfängerin war ich auch bei einem Personaldienstleister beschäftigt - zwar noch zu DM-Zeiten, aber in EUR umgerechnet habe ich da schon nen Stundenlohn von 9,90 EUR verdient - und es kamen noch Fahrtkostenzuschuss und Verpflegungsmehraufwendungen oben drauf. Ich verdiene doch als berufserfahrene Kraft nicht weniger wie als Berufsanfängerin.

Monsieur versuchte dann noch, mich mit ner Übernahmeoption zu locken. Haha, die gibt's aber vielfach nicht - manche Personaldisponenten hoffen dann wohl darauf, dass sich die Leute mit der Aussicht auf ne Festübernahme zu nem Hungerlohn beschäftigen lassen und hoffen, kurzfristig vom Entleihbetrieb übernommen zu werden, um ihr Gehalt neu aushandeln zu können. Streng genommen ist das dann aber arglistige Täuschung und kann juristisch auch verfolgt werden.

Gerne genommen wird auch das Argument "Ja, mehr will unser Kunde aber nicht zahlen...". Hm, das mag bei einem Teil der Entleihbetriebe so sein, dass die ein kariertes Maiglöckchen wollen, das für nen Hungerlohn alle möglichen und unmöglichen Qualifikationen zur Verfügung stellt, aber teilweise möchten wohl auch viele Personaldienstleister eher ihre Gewinnspanne steigern, auch wenn der Entleiher seinen Leiharbeitern sogar nen vernünftigen Stundenlohn zahlen würde. Ohne mich!

Bei solchen Angeboten wundert es einen jedenfalls nicht, dass die Zeitarbeitsbranche vielfach so einen schlechten Ruf genießt. Ich kenne auch viele Personaldienstleister, die ihre Arbeitnehmer fair bezahlen, aber leider sind auch viele schwarze Schafe dabei, die auch gut qualifizierten Leuten Stundenlöhne von unter 10 EUR anbieten - und das noch ohne Fahrtkostenzuschuss und Verpflegungsmehraufwendungen.

In Deutschland wird zwar immer über nen bevorstehenden Fachkräftemangel geklagt, aber daran glaube ich nicht so ganz. Welche Fachkraft möchte sich denn für nen Hungerlohn verramschen lassen? Das können ja dann mal die SPD-Politiker, die Hartz IV damals durchgesetzt haben, versuchen, d. h. für 9 EUR/Std. arbeiten gehen. Da möchte ich die realitätsfernen Herrschaften aber mal sehen, wenn sie plötzlich von weniger als 1.500 EUR brutto im Monat leben sollten.

Wegen angeblichen Fachkräftemangels werden auch gerne Ausländer nach Deutschland geholt. Klar, die armen Menschen wissen ja auch nicht, was ihnen in Deutschland bei ihrer Qualifikation an Lohn zusteht - die freuen sich auch, wenn sie z. B. 1.500 EUR brutto trotz abgeschlossenen Studiums und jahrelanger Berufserfahrung verdienen, auch wenn ihnen eigentlich mindestens 1.000 EUR brutto mehr zustünden. Politik ist ein verlogenes Geschäft - aber bei deren mäßigem Intellekt auch leicht durchschaubar.

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