Sonntag, 12. Februar 2012

Mutig, mutig

Gerade in Bezug auf Arztbewertungsportale haben zwar manche Patienten keine Probleme damit, einen Arzt schlagwortartig entweder in den Himmel zu loben oder auch platt zu schreiben, aber die wenigsten tun das auch namentlich aus Angst vor Verleumdungsklagen. Hm, abgesehen davon, dass Fäkalsprache wie Scheiß-Typ u. ä. dort nix verloren haben, geht es mit der Verleumdungsklage aber auch nicht ganz so schnell - vor allem, wenn der Patient beweisen kann, dass da gewaltig was während seiner oder der Behandlung eines Angehörigen schief gelaufen ist. Leute, die sich ständig nur anonym äußern unter dem Deckmäntelchen der Angst vor einer Verleumdungsklage, scheinen aber sehr wenig Rückgrat zu besitzen und trauen sich wohl nur in der Anonymität des Netzes, ihr Mütchen zu kühlen - wie es ja auch bei anderen Bewertungsportalen oder auch beim Cyber-Mobbing der Fall ist.

Wenn's um Behandlungsfehler geht, sollte die Beschwerde ohnehin nicht nur per Internet erfolgen, sondern auch an die Krankenkasse, den zuständigen Chefarzt oder Klinikleiter und auch an die Ärztekammer. Anonym rumnöhlen im Sinne von "Ich will ja nix gesagt haben, aber..." kann jeder, vor allem, wenn es gar nicht so sehr um gravierende medizinische Fehlleistungen geht, sondern darum, dass manche Menschen sich vom jeweiligen Arzt nicht genug hofiert gefühlt haben. Genauso wie es bekloppte Ärzte gibt, gibt es aber auch bekloppte Patienten, die schon rumjaulen, wenn der Arzt aufgrund eines Notfalls binnen zwei Minuten keine Zeit für sie hatte. Manche Kommentare lesen sich schon fast eher wie gekränkte Eitelkeit und nicht so sehr informativ - auch wenn das natürlich viele User von sich behaupten, dass sie andere nur vor Schaden bewahren wollen. Um einen Arzt angemessen beurteilen zu können - egal, ob im Guten oder Schlechten - ist schon ein bisschen mehr nötig als ein Dreizeiler oder Schlagwörter wie "Abzocke", "Super-Arzt", "Totale Enttäuschung" u. ä.

Ähnlich sieht es auch aus, wenn Äußerungen total aus dem Zusammenhang gerissen werden. Natürlich liest es sich erst mal negativ, wenn dort z. B. steht "Arzt verließ Türen schlagend das Zimmer" oder "Frau Dr. XY hat mich arrogant behandelt", aber oft fehlt da der weitere Hintergrund, der vielleicht dazu geführt hat, dass ein Arzt Tür knallend das Zimmer verlassen hat. Manche tragen durch ihre fordernde, zickige Art auch dazu bei, dass selbst ein ruhiger Mensch total ausflippt und Türen hinter sich zufeuert - vor allem bei Patienten, die ohnehin alles besser wissen als der Arzt. Wie führte Dr. Stratmann neulich so schön als Beispiel an? Wenn im Fernsehen ein Beitrag zum Tinnitus (dauerhafte Ohrgeräusche) läuft, rennen etliche Menschen am nächsten Tag zu ihrem Hausarzt und schreien, dass sie Exitus (Tod) haben :o).

Dass es bekloppte Ärzte gibt, weiß ich selbst aus eigener Erfahrung, aber wie in jedem Berufsstand gibt es gute und schlechte, was umgekehrt auch für die Patienten gilt. Ich hab auch schon mal den einen oder anderen Arzt beurteilt, wobei ich selbst meine eigenen Texte trotz eines gewissen Info-Gehalts schon zu kurz fand, um das Ganze angemessen darstellen zu können. Allerdings hätte ich auch kein Problem damit, wenn der betreffende Arzt mich fragen würde, warum ich ihn so und nicht anders beurteilt habe - egal, ob im Guten oder im Schlechten. Und wenn ich wirklich der Meinung wäre, dass ein Arzt fast mein Ableben oder die Amputation von Gliedmaßen verschuldet hätte, würde ich darüber nicht anonym im Netz rumkamellen, sondern mich wie gesagt an den Klinikleiter wenden und das Schreiben cc an meine Krankenkasse und ggf. noch an die zuständige Ärztekammer schicken. So habe ich es auch vor zehn Jahren bei dem reichlich bescheuerten Stationsarzt gemacht, mit dem ich im Zuge meiner tiefen Beinvenenthrombose inkl. peripherer Lungenembolie zu tun hatte. Allerdings muss ich mich auch nicht über alles und jedes an offizieller Stelle beschweren, aber in dem Fall musste es einfach sein bzw. da war ich auch nicht die Einzige, die sich über diesen selbstgefälligen Menschen beschwert hat.

Wenn wirklich was Gravierendes vorgefallen ist, sollte man auch das Rückgrat haben, sich namentlich offiziell zu beschweren. Ne Verleumdungsklage hat jedenfalls keiner von uns an den Hals bekommen, haha - die Beschwerden wurden offenbar ernst genommen, denn der junge Mann wurde freundlich entfernt. Wenn es natürlich nicht um grobe Behandlungsfehler geht, sondern nur darum, meine gekränkte Eitelkeit zu kanalisieren, ist eine Beschwerde auch wenig zielführend. Natürlich freue auch ich als Patient mich, wenn der Arzt nicht nur medizinisch, sondern auch menschlich kompetent ist, aber selbst, wenn ich da einen extrem unfreundlichen Zeitgenossen in der Praxis antreffe, ist das kein Grund für ne (anonyme) Beschwerde - was nützt mir ein freundlicher Arzt, wenn er mich nachher im Endeffekt aufgrund von groben Behandlungsfehlern doch unter die Erde bringt? Dass der Arzt wenigstens noch freundlich zu mir war, bevor er mich zu Tode behandelt hat, davon könnte ich mir im Sarg auch nix mehr kaufen :o).

Bei fehlender Ausdrucksfähigkeit und mangelndem Rückgrat hilft das Internet weiter - dieses Zitat aus einem Beitrag in Schattenblick (1/2011) von Jörg Feldner gefällt mir in dem Zusammenhang richtig gut, denn leider ist das Netz in vielen Fällen ein Tummelplatz von Menschen, die zu nix stehen können und deshalb in der vermeintlichen Anonymität des World Wide Web Aufmerksamkeit zu erhaschen versuchen, die sie sonst im realen Leben nicht bekommen. Schade, wenn man im realen Leben keine Freu(n)de hat.

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