Sonntag, 20. November 2011

Die gestrige Bundesliga

Abgesehen davon, dass es sehr erfreulich war, dass sowohl Schalke als auch Dortmund gewonnen haben - Letztere auch noch gegen die Bayern, hähä - wurde der Spieltag von dem tragischen Selbstmordversuch eines Schiris überschattet, sodass die Partie Köln gegen Mainz nach Bekanntwerden kurzfristig abgesagt wurde. Alles andere wäre auch ziemlich pietätlos gewesen gegenüber dem Schiedsrichter und seiner Familie, da kann man nicht einfach zu "business as usual" übergehen. Selbst, wenn der DFB kurzfristig noch einen Ersatz-Schiri gefunden hätte, der die Partie hätte pfeifen können, wäre es trotzdem pietätlos gewesen.

Theo Zwanziger ging in der Pressekonferenz zum Selbstmordversuch auf den hohen Druck der Schiris und Spieler ein, dem sie vielfach ausgesetzt sind. Trotzdem werden trotz dieses Selbstmordversuchs und des Selbstmordes von Torhüter Robert Enke im vergangenen Jahr Krankheiten wie Depression und Burnout immer noch nicht ernst genug genommen, denn in den Augen vieler Ottonormalbürger sind Menschen, die ausgebrannt und/oder depressiv sind, einfach nur faul, nicht belastbar usw. Auch wenn ein Schiri und auch viele Spieler sehr gut verdienen, so ist ein geregeltes, gutes Einkommen jedoch kein Ausgleich für die innere Leere, Traurigkeit und Angst, die in den Köpfen von Menschen mit Depressionen oder Burnout rumgeistert. Warum der Eine Schicksalsschläge und Druck besser wegsteckt als der Andere, der schnell in die Burnout-Falle gerät bzw. der eine Veranlagung zu Depressionen hat, steht wieder auf einem ganz anderen Blatt, denn da spielen Faktoren wie die Umwelt (Beruf, Familie, Freunde, evtl. Belastungen), genetische Disposition, Ansprüche an sich selbst und die eigene Leistung sowie auch die erzieherische Mitgift, Krisen zu meistern, eine wesentliche Rolle.

Allerdings gibt's auch eine Kehrseite der Medaille  - und damit meine ich jetzt nicht jene Betroffenen, die durch Mehrfachbelastungen aller Art oder andere Umstände an Depressionen bzw. Burnout leiden, denn mittlerweile ist Burnout schon fast ne Art Mode-Diagnose geworden und wird sicherlich nicht immer berechtigt gestellt. Ich bin weiß Gott kein Fan von Arbeitgebervertretern und den dazugehörigen Anwälten, aber manche Arbeitnehmre gehen, sobald sie berechtigte Kritik von ihrem Vorgesetzten bekommen, direkt zum Arzt, um sich ein Burnout attestieren zu lassen oder zumindest erst mal vorübergehend krank geschrieben zu werden - auch wenn die Rahmenumstände das überhaupt nicht rechtfertigen. Damit machen solche kritikresistenten Menschen, die nur mit Samthandschuhen angefasst und hofiert werden wollen und umgekehrt gegen Leute wettern, denen es wirklich dreckig geht, denjenigen, die wirklich ernsthaft erkrankt sind, auch noch alles kaputt bzw. dadurch manifestiert sich auch noch das blöde Vorurteil in den Köpfen vieler Menschen, dass Depressionen und Burnout nur ein Zeichen von Schwäche und mangelndem Leistungswillen sind - auch wenn das nicht stimmt.

Ähnlich ist es auch bei Kindern mit der Mode-Diagnose ADS bzw. ADHS. Sicherlich wird es einen gewissen Prozentsatz an Kindern geben, die tatsächlich an ADS leiden, aber da manche Pädagogen ja schon mit sich total überfordert sind und noch mehr mit ihren Schützlingen, werden auch gerne Kinder mit lebhaftem Temperament - wobei man da keinesfalls von krankhaft sprechen kann - in die ADS-Ecke gestellt, denn ein lebhaftes Kind, das auch schon mal (unbequeme) Fragen stellt, macht mehr Arbeit als eines, das den ganzen Tag die Backen hält und zu allem Ja und Amen sagt. Da kann es dann allerdings bei sehr ruhigen, schüchternen Kindern passieren, dass übereifrige Pädagogen da die nächste Sensation wittern wie Gewalt im Elternhaus, sexueller Missbrauch etc.

Ich möchte nicht wissen, wie viele Kinder Retalin und andere "Ruhigsteller" bekommen, obwohl das im konkreten Fall gar nicht notwendig wäre. Die Pharma-Industrie reibt sich angesichts solcher inflationär verwendeten Mode-Diagnosen jedenfalls die Hände, denn: süßer die Kassen nie klingeln! Komisch, als wir noch Kinder waren, gab es auch ruhigere und temperamentvollere, aggressivere und friedfertigere, gute Schüler und schlechtere etc., aber trotzdem ist da kein Lehrer auf die Idee gekommen, ein Kind mitsamt seinen Eltern zum Püschologen zu schicken, damit es bei aggressiverem, lebhaftem Verhalten mit Retalin ruhig gestellt wird. Wenn sich ein Kind daneben benommen hat, wurde entsprechend eingegriffen und dem Kind deutlich gesagt, dass sein Verhalten nicht richtig war - und dann war's gut. Auch da haben findige Psycholgen, Pädagogen und Pharmareferenten wieder ne große Marktlücke entdeckt, an der sie sich ne goldene Nase verdienen können, denn abgesehen davon, dass es natürlich Kinder gibt, die an ADS leiden, ist das aber nicht die Mehrzahl bei Kindern, die angebliche Verhaltensauffälligkeiten zeigen. Die Rate der Diagnose ADS ist in den letzten zehn, fünfzehn Jahren erschreckend nach oben gestellt und ich kann mir kaum vorstellen, dass die Kinder früher so viel anders waren als die Kinder heute.

Einen einzigen Unterschied gab's vielleicht: Früher wurde noch in gesundem Maße auf Disziplin und Sozialverhalten geachtet, heute sind ja selbst viele Pädagogen damit überfordert, sowohl eigenen als auch fremden Kindern den Unterschied zwischen richtig und falsch zu vermitteln bzw. auch mal Grenzen zu setzen. Wenn ich immer schon diese Super-Muttis im Supermarkt höre, wenn ihr Kind was tut, was es nicht soll, krieg ich schon die Krise. Anstatt dem Kind ruhig aber bestimmt klar zu machen, dass es nicht alles angrabbeln soll, was da in den Regalen steht, kommt dann entweder das pseudopädagogische Gesäusel "Sebastian, ich sagte dir bereits zum dritte Mal, dass du die Joghurt-Becher nicht anfassen sollst!" oder die Eltern reagieren gar nicht, wenn ihr Blag das Kühlregal mit seinen Patschhändchen ausräumt, sodass alles auf den Boden fliegt und die Angestellten des Supermarktes dann alles aufwischen müssen. Wenn sich dann noch eine Angestellte erdreistet, was zu sagen bzw. ihren Unmut kund zu tun, kommt gerne die stolze Antwort von solchen Eltern: "Mein Kind wird antiautoritär erzogen!" (Der Terminus stimmt schon alleine nicht, das nennt man dann laissez-faire.) oder "Mein Gott, es ist doch noch so ein kleines Kind, das weiß das noch nicht besser...!" Klar, wie sollen die Kinder erzogen sein, wenn's die Eltern schon nicht sind? Da frage ich mich immer, was solche Eltern dem Jugendrichter sagen, wenn ihr missratener Sprößling mit zwölf einen Schulkameraden umlegt, weil es den aus irgendeinem Grund nicht leiden konnte. "Herr Richter, mein Kind wusste das noch nicht besser, es ist doch noch so klein...!" (AUA!!)

Zum Thema "antiautoritäre Erziehung" bzw. "laissez-faire" fällt mir noch ne lustige Anekdote ein, die mir meine frühere Kollegin Monika aus Oberhausen mal erzählt hat. Sie stand in der Schlange an der Kasse, vor ihr u. a. ein netter älterer Herr und eine Mutter mit ihrem etwa vierjährigen Blag. Der Kleine haute dem älteren Mann immer den Einkaufswagen mit voller Absicht in die Hacken, sodass der irgendwann sagte: "Lass das bitte sein, das tut mir auch weh!" Das Ätz-Blag machte aber trotzdem weiter und alles, was der tollen Mutter dazu einfiel, war ein stolzes "Mein Kind wird antiautoritär erzogen!" - dass sich mittlerweile in der ganzen Schlange Unmut über sie und ihr blödes Blag breit machte, ignorierte sie wohlwollend bzw. ein fauler Zombie mit fehlender Erziehung spürt sowas ohnehin nicht. Dem jungen Mann, der hinter Monika in der Schlange stand, reichte es jedenfalls mit Zombie-Mutti und ihrem missratenen Ätz-Blag, das dem alten Mann immer noch den Einkaufswagen ständig in die Hacken rammte, obwohl der sich dagegen verwahrte. Er nahm seelenruhig ne 1,5 l-Flasche Coca-Cola aus seinem Einkaufswagen, entschuldigte sich schon mal im Vorfeld bei der Kassiererin, öffnete die Flasche und kippte den ganzen, klebrigen braunen Inhalt über der Mutter aus mit den Worten "Tschuldigung, ICH bin auch antiautoritär erzogen!" Danach war Ruhe im Karton und die Zombieline hat keinen Ton mehr gesagt, genau wie ihr blödes Blag, während die anderen in der Schlange beifällig kicherten. Er hat den Packerinnen im Supermarkt sogar geholfen, die klebrige Pfütze aufzuwischen, wobei die sogar grinsen mussten, weil sie dem jungen Mann wohl Recht gaben  - die bekloppte Mutter und ihr Blag hielten danach mal endlich die Backen, hehe.

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