Da es ja der neue Trend ist, alles Mögliche im Internet bewerten zu können - Ärzte, Krankenhäuser, Autos, Produkte aller Art usw. - wird in manchen Bewertungsportalen darauf hingewiesen, dass Schmähkritiken nicht akzeptiert werden. Da stellt sich die Frage, wo Schmähkritiken anfangen. Normalerweise würde man sagen, dass es extrem unsachliche Äußerungen sind wie "Arzt ist unfähig", "Der neue 1er ist nix als teurer Schrott", "Der Radiowecker Modell XY von Firma AB ist scheiße" u. ä., aber es besteht auch immer die Gefahr, dass sachlich vorgetragene berechtigte Kritiken zu einem Sachverhalt, die über reines Gemecker und solche Pauschalierungen ohne Hintergrund hinaus gehen, abgelehnt werden, auch wenn an den Kritikpunkten durchaus einiges dran ist und die negative Meinungsäußerung über etwas/jemanden durchaus berechtigt ist. Manche können leider nicht zwischen Meinungsfreiheit und Schmähkritik unterscheiden - sowohl auf Seiten derjenigen, die Kommentare bewerten, als auch Seiten derjenigen, die sich über etwas beschweren.
Bei manchen Beschwerden frage ich mich allerdings, ob's noch geht. Wenn ich ein 16 Jahre altes Auto kaufe, das an die 100.000 km gelaufen hat, sollte ich mich vielleicht nicht wundern, wenn der Lack an der einen oder anderen Stelle zu rosten beginnt. Bei nem 16 Monate alten Auto wäre das wiederum ein Grund für ne Reklamation, zumal die meisten Hersteller ja schon mindestens zehn Jahre Garantie gegen Durchrostung geben und es nach 16 Monaten eigentlich äußerst unwahrscheinlich ist, dass ein Auto zu rosten beginnt - es sei denn, man hat ein Montagsfahrzeug erwischt, das bei jedem Hersteller dabei sein kann; egal, ob es ein VW, Renault, BMW, Opel oder Volvo ist. Eine Beschwerde bei nem 16 Monate alten Auto, das zu rosten beginnt, ist grundsätzlich erst mal berechtigt, aber dann kommt's immer noch sehr darauf an, wie die Beschwerde vorgetragen wird. Wenn demjenigen keine besseren Kommentare einfallen als "Ihre Autos sind scheiße - die rosten ja schon nach nicht mal zwei Jahren. Ich kaufe nie wieder einen BMW/Renault/Audi usw.!" ist das natürlich eine eher unsachliche Schmähkritik. Wenn jemand sachlich auf den Mangel hinweist und um Behebung bzw. ein neues, vergleichbares Fahrzeug beim Hersteller bittet, ist das ne ganz andere Sache - wie der Hersteller bzw. das Autohaus dann mit der berechtigten Reklamation umgeht, ist unterschiedlich und wenn dann wirklich ein Autohaus meint, es müsste auch auf berechtigte, sachliche Kritik nicht oder zumindest nicht adäquat reagieren, dann kann man sein nächstes Auto immer noch in einem anderen Autohaus derselben Marke kaufen oder auch die Marke wechseln.
Es fällt allerdings auf, dass kurze, sloganartige Schmähkritiken wie z. B. "Dr. XY ist scheiße!" ganz schnell gelöscht werden, was natürlich auch seine Daseinsberechtigung hat wegen Unsachlichkeit und möglicher fehlender näherer Erläuterungen, warum Dr. XY angeblich total scheiße ist, aber es gibt ja auch den umgekehrten Fall - da hat jemand was Positives zu vermelden über einen Arzt oder ein Produkt, etwa in dem Wortlaut "Super-Arzt - der Beste, den ich kenne!". Das ist genauso wenig aussagekräftig wie "Dr. XY ist scheiße", wird aber meist drin gelassen, obwohl es auch nicht mehr Aussagekraft hat als die kurze Schmähkritik.
Ich frage mich auch, wie das früher mit Beschwerden und Kundenbewertungen funktioniert hat, als es noch kein Internet gab. Da wurde auch nicht alles Mögliche in Bewertungsportalen kommentiert und/oder kritisiert, sondern da ging vieles durch Mund-zu-Mund-Propaganda, z. B. wenn eine neu zugezogene Dame ihre Nachbarn im Haus nach nem guten Facharzt oder Allgemeinmediziner gefragt hat oder nach nem empfehlenswerten Autohaus der Marke XY in der jeweiligen Stadt. Der Grundgedanke von Bewertungsportalen ist ja grundsätzlich erst mal gut, denn Bewertungsportale können andere Käufer/Kunden/Patienten ggf. vor Schaden bewahren, wobei bei Bewertungen aller Art aber a) natürlich subjektive Maßstäbe zum Tragen kommen, weil jeder vielleicht auch andere Schwerpunkte bei der Beurteilung setzt und b) auch schon die Formulierung der Fragen nach der Zufriedenheit manchmal nicht eindeutig bis suggestiv sind. Bei manchen Leuten, die sich über alles und jedes beschweren, hat man leider eher das Gefühl, es geht gar nicht darum, eine Beschwerde vorzutragen oder andere durch eigene schlechte Erfahrungen zu warnen, sondern darum, sich selbst (teilweise unangemessen) darzustellen und der Welt zu zeigen, dass man wenigstens in der Anonymität des Internets existiert, weil man im realen Leben nicht oder kaum wahrgenommen wird bzw. sich für so unangemessen wichtig hält, dass man sich dauernd mit irgendnem Scheiß aufblähen muss. Wenn man wirklich was zu kamellen hat, weil eine mangelhafte Leistung erbracht wurde, nimmt man am besten Kontakt zum Verantwortlichen auf und trägt seine Beschwerde da angemessen vor anstatt anonym und ohne jeden Hintergrund im Netz rumzunöhlen.
Vor fast zehn Jahren hatte ich wirklich mal nen reichlich bescheuerten Stationsarzt im Philipp (war eigentlich noch Medizin-Stupident, hielt sich aber für den Größten), der an Arroganz, fehlender Kompetenz und Unverschämtheit kaum noch zu überbieten war - da habe ich mich nicht mit (anonymer) Rumnöhlerei im Internet aufgehalten, sondern direkt den Klinikleiter angeschrieben. Das Anschreiben war fünf DIN A4-Seiten lang, denn eine berechtigte, fundierte Kritik kann man weder in einem Slogan noch in einem Fünfzeiler zusammenfassen. Ich habe darauf sogar binnen zwei Wochen eine persönliche Antwort (also kein Standard-Schreiben der Marke "Vielen Dank für Ihren Brief. Wir prüfen den Sachverhalt.") erhalten und m. W. konnte derjenige auch seinen Hut nehmen, weil wohl aus meinen Ausführungen zu erkennen war, dass es nicht einfach nur um persönlichen Unmut und Gemecker ging, sondern dass da wirklich einiges im Argen lag, sowohl auf fachlicher als auch auf menschlicher Ebene. Auch andere haben sich über den verhinderten Halbgott in Weiß beschwert, teilweise aber keine Antworten bekommen, wohl weil einige Beschwerden da auch nicht gerade fundiert waren bzw. manchen im Internet glichen.
Das gilt umgekehrt auch, wenn ich was Positives zu berichten habe - ggf. schreibe ich dazu auch schon mal was im Netz, aber derjenige, der seine Sache wirklich gut gemacht hat, egal, ob bei einer medizinischen Behandlung, einer Autoreparatur oder einer sonstigen Serviceleistung, bekommt dann in aller Regel auch noch ein persönliches Dankschreiben von mir bzw. wenn's möglich ist, sage ich's demjenigen auch persönlich, dass ich sehr zufrieden war und warum. Rummeckern ist die eine Sache, wenn was nicht gut läuft - jemandem aber auch mal sagen, dass er seine Arbeit gut gemacht hat, ist genauso angebracht und auch viel schöner. Entgegen anderslautenden Gerüchten und der Aussage von Leuten, die ständig Weltuntergangsszenarien vor Augen haben und nur schlechte Möglichkeiten in Betracht ziehen, gibt es auch sehr viele gute Dinge, über die man sich freuen kann. Ich freue mich z. B. auch, wenn mir meine Kunden oder Leser eine positive Rückmeldung zu meiner Beratungsarbeit geben, wie erst gestern wieder in einer netten Mail geschehen.
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