Sonntag, 29. März 2015

Schlechte Witze aus der Bewerberwelt

Ich veröffentliche ja nicht nur regelmäßig Artikel mit Tipps für Stellensuche und Bewerbungen unter experto.de, sondern bekomme natürlich auch Leserzuschriften zu einigen Artikeln - vielen Kandidaten merke ich jedenfalls deutlich an, wie frustriert sie anhand dessen sind, was auf dem Arbeitsmarkt abgeht und dass da auch weder gute Qualifikation noch Berufserfahrung etwas nützen. Da ich mich ja seit letztem Jahr auch wieder in die Reihe der Arbeitsuchenden einreihen durfte, kann ich den Frust gut verstehen, der da um sich greift. Irgendwas stimmt nämlich mittlerweile hier am deutschen Arbeitsmarkt überhaupt nicht mehr.

Wenn Arbeitsuchende sich nicht oder nicht regelmäßig bzw. zeitnah auf ein Stellenangebot bewerben, werden die aber ganz schnell sanktioniert in Form von Leistungskürzen - egal, ob bei Hartz IV oder ALG I. Dass manche Arbeitgeber es noch nicht mal für nötig halten, Bewerbungen zu beantworten, dass Unterlagen von Bewerbern vernichtet werden oder nur zurückgeschickt werden, wenn der Kandidat einen ausreichend frankierten, an sich selbst adressierten Rückumschlag beifügt, scheint aber vollkommen normal zu sein, auch nach Aussagen mancher Mitarbeiter von Jobcentern und Arbeitsagenturen. Manche Arbeitgeber haben es offenbar nicht mehr nötig, die gleichen Tugenden an den Tag zu legen wie ihre potentiellen Mitarbeiter - und unsere weltfremden Politiker verstehen sich ja auch noch als Erfüllungsgehilfen der Wirtschaft und hat Arbeitnehmer gar nicht mehr auf dem Zettel, auch wenn sie manchmal so tun als ob. 

Es gibt ja immer noch Gutmenschen und Leute mit Scheuklappendenken, die so einen Stuss labern von wegen "Wer arbeiten will, findet Arbeit" - das kommt dann immer von denen, die seit 20 Jahren erfolgreich in den gleichen Sessel furzen und überhaupt nix mehr mitkriegen (wollen). Wenn manche Ahnung von dem hätten, was sie da an heißer Luft durch die Gegend pusten, hätten sie vielleicht auch schon mitbekommen, dass auch gut qualifizierte Fachkräfte Schwierigkeiten haben, eine neue Stelle zu finden. Ich habe mittlerweile über 200 Bewerbungen draußen - gut 75 davon wurden gar nicht beantwortet, ein Arbeitgeber hat einen mir zugesagten Vertrag platzen lassen, ohne mich darüber zu informieren, als ich dort angereist bin mit sämtlichen Arbeitspapieren und manche befürchten wohl auch, dass ich mir nachher einen anderen Job suche, wenn ich was Besseres gefunden habe.

Wenn ein Arbeitsuchender jedoch nie die Chance bekommt, sein Können, seinen Willen und seine Arbeitsleistung unter Beweis zu stellen, sondern immer nur abgebügelt wird - sei es, indem Bewerbungen in unermesslicher Arroganz mancher Firmen gar nicht beantwortet werden oder weil befürchtet wird, der Bewerber ist eh nachher wieder weg - dann wundert es mich auch nicht, dass auch viele gut Qualifizierte auf der Straße stehen, denn wenn jeder sagt "Der/Die findet bei der Qualifikation noch was anderes." ist es verständlich, dass auch viele Arbeitswillige mit guter Qualifikation leer ausgehen bei der Stellensuche. Stattdessen treten dann wieder irgendwelche weltfremden Misanthropen auf den Plan und lassen sich gerne von Medienberichten beeinflussen, in denen dann wirklich arbeitsscheue Arbeitslose gezeigt werden, die nix gelernt haben und ihren Tag lieber mit Abhängen, Bierflasche und Kippe gestalten - einfach, weil das so schön ins beschränkte Weltbild passt und man ja als Gutmensch immer jemanden braucht, über den man sich aufregen und auf den man herabblicken kann. Das spiegelt aber doch nicht die Realität wider. Kein halbwegs normaler Mensch möchte dauerhaft vom Staat abhängig sein.

Es krankt doch schon daran, dass kaum einer noch das macht, was er ursprünglich mal gelernt oder studiert hat - Juristen, BWLer, Pädagogen oder viele andere Akademiker nehmen den kaufmännischen Kräften die Stellen weg, während die gelernten Kaufleute mit abgeschlossener Ausbildung gerne als Lageristen verheizt werden, sodass dann die gelernten Lagerarbeiter wiederum schlechte Karten haben gegenüber jemandem, der eine Büroausbildung hat und besser qualifiziert ist in den Augen mancher Arbeitgeber. Manche Firmen sagen sich wohl: "Warum soll ich eine Fachkraft aus dem Bereich nehmen, wenn ich einen Branchenfremden kriegen kann, der besser qualifiziert ist und dem ich auch nicht mehr zahlen muss?" Vor dem Hintergrund frage ich mich echt, warum so ein Geschiss um Schulnoten und Studiengänge von Eltern, Lehrern und Politikern gemacht wird, wenn es ohnehin in vielen Fällen nicht mehr auf die Qualifikation des Einzelnen anzukommen scheint? Damit wird das Märchen vom angeblichen Fachkräftemangel immer mehr zum schlechten Witz, d. h. der Witz war schon immer schlecht, aber er wird noch schlechter als schlecht.

Wie dem auch sei, ich habe an diesem Wochenende auch wieder zwei Bewerbungen verschickt - auf die eine, die ich vorhin verschickt hatte, kam die automatische Antwort, dass die Ansprechpartnerin zwischen zwei Terminen im August 2014 (!) nicht im Hause sei und man sich ersatzweise an Herrn oder Frau XY wenden sollte. Was soll mir das jetzt sagen? :o) Bestimmt nix Gutes...ich frage mich dann immer, warum in Stellenanzeigen Namen, Telefonnummern und E-Mail-Adressen von Ansprechpartnern angegeben werden, die eh nix wissen, gar nicht mehr im Unternehmen sind oder die auch noch harsch bis genervt reagieren, wenn ein Bewerber Kontakt zu ihnen aufnimmt. Wenn ich keinen Bock habe, mich mit Bewerbern/Bewerbungen rumzuärgern, weil ich dann in meiner Totenruhe oder beim Buchstabieren der BILD-Zeitung gestört werde, lasse ich mich auch nicht als Ansprechpartner in einer Stellenanzeige aufnehmen, ganz einfach. Ein gutes Aushängeschild für ein Unternehmen sieht anders aus.

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