Dienstag, 25. Oktober 2011

Datensammlungen nicht nur per Bundes-Trojaner

Der Einsatz des Bundestrojaners sorgte ja verständlicherweise für einige Aufregung, zumal er wohl auch bei Personen eingesetzt wurde, die weder unter Terrorverdacht noch unter dem Verdacht stehen, eine schwere Straftat begangen zu haben bzw. zu planen. Eigentlich wird der Bundestrojaner zur Bespitzelung und Ausspähung von Mitmenschen aber gar nicht gebraucht, es gibt ja genug Leute - auf neudeutsch auch Consultants genannt - die ihre Mitmenschen gegen gutes Geld ausspionieren, und zwar im Bewerbungsprozess.

Wie im vergangenen Jahr durch die Medien geisterte, soll ja die Online-Recherche zu Bewerbern mittlerweile untersagt sein, aber das kann irgendwie nicht hinkommen, wie ich gestern einem Interview auf Radio Essen mit einer jungen Dame entnehmen konnte, die für ne Firma namens Reputeer (oder so ähnlich) tätig ist. Da stehen dann nicht mehr alleine die Qualifikationen im Vordergrund, die ein Bewerber in seinen Unterlagen nachweisen kann, sondern es wird dann im Netz über ihn recherchiert, ob er ein stimmiges Bild abgibt, ob er überhaupt zu finden ist usw.

Ich wiederhole jetzt nicht mehr den ganzen Babel, den ich schon mal an anderer Stelle zur Online-Recherche über Bewerber im Internet geschrieben hatte (hier im Blog, bei Suite101.de, bei experto.de) - was davon zu halten ist, habe ich recht deutlich zum Ausdruck gebracht (nämlich nichts). Ein Mensch ist ein bisschen mehr als die Summe seines Online-Profils - was nützt ein aalglattes, teilweise gefaketes Online-Profil, wenn das aber mit der realen Person gar nix zu tun hat? Leider ist das Internet auch ein Tummelplatz für manche mit unterentwickeltem Selbstbewusstsein, die sich dann schöner, besser, reicher, jünger...darstellen als sie eigentlich sind. Letzten Endes kann man einen Menschen erst richtig beurteilen, wenn man sich mit ihm unterhalten hat - und selbst da ist immer noch ne gewisse Fehlerquote gegeben, weil manche es sehr geschickt verstehen, sich zu verstellen, auch wenn sie das natürlich meist nicht monate- oder jahrelang durchhalten.

Im Vordergrund steht dabei aber, dass manche gute Bewerber von vornherein durchs Raster fallen, weil sie vielleicht nicht dem beschränkten Weltbild solcher Consultants im Internet entsprechen und den birnigsten Typen nachher der Vorzug gegeben wird, weil sie es verstehen, sich geschickt zu verstellen bzw. ins rechte bzw. verbesserte Licht zu rücken. Was wäre denn, wenn sich ein Bewerber z. B. auf seiner Homepage als Schalke 04-Fan outet und er ne Absage von einem Unternehmen erhält (natürlich ohne offizielle Begründung), weil 95 % der Belegschaft Fans vom BVB sind und der Schalker somit angeblich gar nicht passt - auch wenn Persönlichkeit und Qualifikation ansonsten stimmig sind?

Dann besteht ja immer noch die Gefahr, dass der Bewerber auf reine Äußerlichkeiten reduziert wird, auch wenn er im Backoffice tätig werden soll und somit überhaupt keinen Publikumsverkehr hat. Ne Berufskollegin von mir hat ja versucht, sich mit dem so genannten Profiling von Bewerbern einen Namen zu machen - bei solchem Quatsch schämt man sich echt, Dipl.-Päd. zu sein. Kein Wunder, dass Pädagogen aller Art in der Öffentlichkeit vielfach so einen schlechten Ruf genießen. Schön, dass Madame zu wissen glaubt, wie man jemanden anhand seiner Brille, Frisur, Kleidung, Gesichtszüge, Haarfarbe usw. einzuschätzen hat. Dafür braucht man nicht mal nen Hörsaal von innen gesehen zu haben, da kann man auch Zeitschriften der Regenbogenpresse aufschlagen, wo es solche Einschätzungen auch schon mal mit populärpsychologischem Schwerpunkt gibt.

Namen ihrer Klientel wollte meine Berufskollegin nicht nennen, wobei leicht vorstellbar ist, dass es sich vermutlich meist um Großkonzerne handelt, denn der kleine Handwerksbetrieb an der Ecke hat bestimmt weder die Zeit noch das Geld noch die Muße, erst mal seine potentiellen künftigen Mitarbeiter auf pseudowissenschaftliche Art im Internet screenen zu lassen. Hinzu kommt noch, dass kleinere Betriebe zwar nicht zu den Schwergewichten in der Wirtschaft zählen, aber dass da oft noch mit gesundem Menschenverstand an Sachen rangegangen wird und nicht mit künstlich aufgeblähter Show, hinter der sich angeblich intelligente Menschen verbergen.

Für das Bespitzeln oder Recherchieren über andere Leute ist noch nicht mal ein akademischer Grad erforderlich, das könnten auch Haupt- und Realschüler, die unfallfrei ne Tastatur und nen PC bedienen können. Es ist eigentlich traurig, dass manche Akadämliker sich dafür hergeben, über ihre Mitmenschen scheinbar kompromittierende Infos zu sammeln und dafür auch noch ein Schweinegeld zu kassieren - der Markt ist aber offensichtlich da, denn sonst könnten solche Läden ja nach spätestens einem Jahr wieder ihre Pforten schließen. Vermutlich sitzen aber gerade diese Akadämliker stolz wie Oskar am Kaffeetisch bei Mami, Papi, Onkel, Tante, Oma und Opa und erzählen empörende Dinge aus ihrem Arbeitsalltag, die sie bei ihrer Recherche über jemanden in Erfahrung gebracht haben. Schön, wenn sich jemand so instrumentalisieren lässt und es noch nicht mal merkt oder merken will.

Kein Wunder, dass es Bewerber schwer haben, die sich dem Trend von sozialen Netzwerken und anderen Online-Auftritten verweigern - über die können ja auch keine kompromittierenden bis empörenden Infos gesammelt werden, was dann natürlich als altbacken und nicht zeitgemäß umdeklariert wird, haha! Manche Mitmenschen befürchten angesichts solcher merkwürdigen Auswüchse wohl auch nicht zu Unrecht, dass selbst seriöse Infos über sie im Bewerbungsprozess gegen sie verwendet werden. Wenn jemand z. B. Handarbeiten als Hobby angibt, besteht bei solchen selbst ernannten Fachleuten im Personalauswahlprozess die Gefahr, dass jemand, der gut nähen, stricken, häkeln, weben, quilten etc. kann, von diesen Akadämlikern als altbacken durchs Raster fallen gelassen wird und somit in kein modernes Unternehmen passt. Hm, vielleicht kann aber auch die Dame mit dem Faible für Handarbeiten aller Art trotz ihres "altbackenen" Hobbys gut mit dem PC umgehen, super auf Menschen zu- und eingehen, ne Buchhaltung perfekt erledigen...

Hobbys aller Art können sowohl positiv als auch negativ gedeutet werden - Sport in irgendeiner Form heißt im positiven Sinne, dass sich jemand nicht nur auf seine Arbeit konzentriert, sondern auch auf seine körperliche Fitness, im negativen Sinne kann Sport auch mit erhöhter Verletzungsgefahr und somit häufigen Arbeitsausfällen assoziiert werden, gerade bei Kontaktsportarten wie Fußball, Kampfsport aller Art etc. Fußball als Mannschaftssportart zeugt im positiven Sinne von Teamfähigkeit und Fitness, im negativen Sinne können jedoch alle schlechten Klischees bemüht werden, die über Fußballer kursieren: hohe Verletzungsgefahr, häufige Krankenscheine, Hang zu übermäßigem Alkoholkonsum, mangelnde Intelligenz...alles, was positiv ist, kann man auch als negativ missdeuten, wie an diesem Beispiel deutlich wird.

Vor dem Hintergrund verwundert es auch nicht, dass sich manche Recruiting-Prozesse unnötig in die Länge ziehen, gerade bei großen Unternehmen. Wenn da auf eine Stelle mehrere hundert Bewerbungen eingehen, dauert es schon mal seine Zeit, bis die alle durchs Online-Raster geschickt und entsprechend beurteilt wurden. Deshalb ist es schon geradezu lachhaft, wenn in den Stellenausschreibungen von Großkonzernen steht "Wir suchen kurzfristig/zum nächstmöglichen Zeitpunkt..." Gut, der kann dann auch schon mal sechs bis zwölf Monate in der Zukunft liegen.

Einem Kunden von mir ist neulich auch so ein schlechter Witz bei nem großen Industriekonzern passiert, bei dem er sich bewerben wollte: Er rief in dem Unternehmen bei der zuständigen Ansprechpartnerin an, um noch offene Fragen vor Versand der Bewerbung zu klären - Ansprechpartnerin mehrere Tage außer Haus, Vertretung spielte das allseits beliebte Spiel "Ich weiß von nix" (das ist immer am besten...) und vertröstete ihn auf einen anderen Termin. Zweimal hat er dort noch angerufen zu den vereinbarten Terminen, aber die Ansprechpartnerin war mal wieder außer Haus. Beim dritten Mal hatte er endlich die in der Ausschreibung für Rückfragen zuständige Dame in der Personalabteilung an der Strippe, doch die wusste genauso wenig wie ihre Kollegin, sie war dort wohl nur zu Deko-Zwecken angegeben worden oder um so eine Stellenanzeige etwas persönlicher zu machen. Meinem Kunden reichte das Theater, er hat seine Bewerbung versendet, ohne offene Fragen geklärt zu haben - und bekam natürlich nach ein paar Tagen ne Absage. Kein Wunder, er hat manche Menschen ja auch durch seine ständige Nachfragerei aus ihrem Dornröschen-Schlaf gerissen - und das geht ja gar nicht! Wissen ist Macht - nicht wissen macht auch nichts.

Hm, falls da mal irgendein findiger Consultant auf die Idee kommen sollte, über mich im Netz zu recherchieren und meine Blog-Einträge zu finden: Nicht alles davon ist bierernst gemeint und manches einfach künstlerische Freiheit - z. B. steht mein Kumpel Timo weder auf Männer noch auf Tittenklemmen, Thorsten hat bei mir noch nie die Hosen runter gelassen und ich bin auch kein männermordender Vamp, der allen Ernstes seine Kumpels für sich anschaffen lässt :o). Ein bisschen Spaß muss sein - aber wer kann schon Spaß vertragen?! Manche Personaler offenbar nicht, im Gegensatz zu mir und den Mitmenschen aus meinem Dunstkreis. Das nur als Hinweis für die Consultants, die meinen Humor nicht raffen und dann versuchen, ein Profil aus der Summe meiner Veröffentlichungen zu kreieren, ohne einmal persönlich mit mir gesprochen zu haben :o).

Timos Wunsch-Kind (Alien) in Bezug auf meinen gestrigen Blog-Eintrag zu den Befindlichkeiten meines Göttergatten:

                  (c) Alexandra Döll, Essen
(Viel Spaß beim Interpretieren dieser Zeichnung, höhö!)

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