Freitag, 21. Oktober 2011

Ein schlechtes Beispiel für ein Anschreiben

Wir lästern hier gerade über Klischees und Formulierungen, die in Arbeitszeugnissen, Stellenanzeigen und Anschreiben vielfach zu finden sind. Deshalb folgt jetzt ein Beispiel dafür, wie man es nicht machen sollte :o).

Sehr geehrter Herr Müller,

mit großem Interesse habe ich Ihre Stellenanzeige gelesen. Deshalb bewerbe ich mich hiermit zum 1. Februar 2012 auf die von Ihnen in der WAZ ausgeschriebene Stelle als Sekretärin der Geschäftsführung.

Da ich stets Verständnis für meine Arbeit zeige, bin ich schon für viele Arbeitgeber im regionalen Wirtschaftsraum tätig gewesen. Ich habe meinen Vorgesetzten nie Anlass zu Klagen gegeben, denn ich kann vom Band schreiben, Arbeiten nach Anweisung sicher erledigen und habe zudem die Ablage organisiert. Bei der Abrechnung der Kasse war ich fleißig, ehrlich und pünktlich, was ohnehin meinem Wesen entspricht.

Für die Belange meiner Kollegen zeigte ich ein großes Einfühlungsvermögen, wobei meine gesellige Art stets sehr im Kollegenkreis geschätzt wurde, genau wie meine kommunikativen Fähigkeiten. Ich bin flexibel und belastbar und behalte die Zielerreichung der Aufgabenstellung stets im Auge, nicht zu vergessen mein unternehmerisches Denken.

Meine Gehaltsvorstellungen liegen bei 3.500 Euro brutto im Monat.

Über eine Einladung zum Vorstellungsgespräch freue ich mich.

Mit freundlichen Grüßen
Lieschen Musterfrau

Nun die Gründe, warum die Dame mit dem Text eigentlich keine Chancen bei irgendeinem Unternehmen haben dürfte (wobei ich das bei einigen wenigen Personalchefs, die eher zufällig an ihren Posten gekommen sind, auch nicht ausschließen möchte - vor allem, wenn die Optik der Dame stimmt...)!

Mit großem Interesse habe ich Ihre Stellenanzeige gelesen:
abgedroschen, da schon zig-tausendfach von anderen Kandidaten verwendet. Gleichzeitig dokumentiert der Bewerber sein Interesse an der ausgeschriebenen Position schon durch die Zusendung seiner Unterlagen.

hiermit bewerbe ich mich:
genauso einfallslos und unkreativ wie der vorgenannte Einstieg. Da stellt sich die Frage, ob der Bewerber bei der täglichen Arbeit genauso einfallslos und unkreativ vorgeht.

Ich zeige Verständnis für meine Arbeit:
Eine derartige Formulierung bedeutet ein glattes Mangelhaft im Arbeitszeugnis, denn sie besagt, dass der Arbeitnehmer war zwar körperlich anwesend war und auch verstanden hat, warum er eigentlich da ist, aber dass er sonst praktisch nichts getan hat - außer Zeitung lesen, Kaffee trinken oder anderen Mist; auch wenn andere "Land unter" hatten. In Kombination mit der Formulierung, dass sie deshalb schon bei vielen Arbeitgebern tätig war, heißt das wohl, dass die Vorgesetzten ihrer "verständnisvollen" Art schnell überdrüssig wären.

Ich habe meinen Vorgesetzten nie Anlass zur Klage gegeben...
...aber auch nicht zu Lob.

Ich kann Arbeiten nach Anweisung sicher erledigen...
Ich mache nur Dienst nach Vorschrift und lasse mich am liebsten willig am Nasenring durch den Arbeitsalltag zerren - Eigeninitiative gleich Null.

...und habe zudem die Ablage organisiert:
Nicht gerade ein Indiz für eine hohe Fachkompetenz, weil Ablage zum Büroalltag dazu gehört und eigentlich nicht extra erwähnt werden muss - es sei denn, es gibt sonst nix Besseres oder Wichtigeres zu erwähnen.

Bei der Abrechnung der Kasse war ich fleißig, ehrlich und pünktlich, was ohnehin meinem Wesen entspricht:
Man könnte die Dame auch die "diebische Elster" nennen, denn in Arbeitszeugnissen ist diese Formulierung eine nette Umschreibung für Diebstahl oder Unterschlagung. Wenn das ohnehin ihrem Wesen entspricht, dann liegt da sogar der Verdacht nahe, dass es sich bei der Bewerberin um eine Kleptomanin handelt.

Für die Belange meiner Kollegen zeigte ich ein großes Einfühlungsvermögen:
Ein nettes Synonym für sexuelle Belästigung, d. h. Madame hat den Herren wohl öfter an den Hintern oder an die Eier gegriffen...

...meine gesellige Art war im Kollegenkreis sehr geschätzt:
Prost Gemeinde - mein Alkohol-Problem bricht mal wieder voll durch!

Kommunikative Fähigkeiten:
Wird eher mit Labertasche, Flurfunk und Tratschbase vom Dienst assoziiert bzw. mit der Tatsache, dass man aus physiologischer Sicht überhaupt in der Lage ist, Laute zu bilden, die dann als gesprochene Worte beim Gegenüber ankommen.

Ich bin flexibel und belastbar und behalte die Zielerreichung der Aufgabenstellung stets im Auge, nicht zu vergessen mein unternehmerisches Denken:
Eine Aneinanderreihung von Klischees und Selbstverständlichkeiten ohne jede Aussagekraft. Unternehmerisches Denken wird bei einer Sekretärin ohnehin nicht verlangt, dies gilt für Mitarbeiter mit Personal- und Budgetverantwortung.

Meine Gehaltsvorstellungen liegen bei 3.500 Euro pro Monat:
Abgesehen davon, dass Gehaltsvorstellungen immer als Jahresgehälter angegeben werden (p. a.), fragt man sich angesichts dieses Anschreibens, ob die Bewerberin sich da ein bisschen zuviel von manchen B-Promis im Fernsehen abgeguckt hat - nix können, dafür aber ein Schweinegeld kassieren...:o).

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