Neulich sprach mir - und wohl auch vielen anderen - eine Kabarettistin aus der Seele, die bei "Ladies Night" im WDR (Moderation: Gerburg Jahnke, eine Hälfte des Duos "Misfits") aufgetreten ist - denn sie hat sich auch gefragt, wie unsere Eltern uns eigentlich groß gekriegt haben, da ja heutzutage um alles Mögliche ein Geschiss gemacht wird: Fahrradhelme, Rauchen, Kindersitze im Pkw usw.
Auf Zigarettenschachteln findet sich u. a. heutzutage der Hinweis "Schützen Sie Ihre Kinder vor Tabak: Lassen Sie sie nicht den Rauch einatmen!" Komisch, früher gab es auch rauchende Eltern, da wurde in geschlossenen Pkw und Räumen gequalmt, und niemand hat sich drum gestört, aber heute schreien ja direkt die Sittenwächter laut auf - weil irgendwelche Politiker und/oder Promis sich plötzlich zu Aussagen berufen fühlen über Dinge, von denen sie eh nix verstehen. Da die Deutschen aber Herdentiere sind - sieht man daran, dass genug Deutsche unserem "großen Führer" ab 1933 ins Verderben gefolgt sind und den auch noch toll fanden - plappern einige Lobbyisten und Leute ohne ausreichendes eigenes Denkvermögen alles nach, was irgendwelche Leute ihnen vorplappern.
Früher sind wir als Kinder auch Fahrrad ohne Helme gefahren - und normalerweise ist da auch nie was passiert. Wenn jemand wirklich mal vom Fahrrad geplumpst ist, hat er sich eher das Knie als den Kopf aufgeschlagen und konnte sich auch meist gut genug abfangen, um Schlimmeres zu verhindern, aber heute wird ein Geschiss um mögliche Kopfverletzungen gemacht, dass es nicht mehr feierlich ist. Klar, da viele Kinder nur noch vor dem Fernseher und/oder PC verblöden, fehlt vielfach auch die Koordinationsfähigkeit, um sich bei nem Sturz angemessen abfangen zu können. Gleichzeitig erscheinen dann aber Klageartikeln in den Zeitungen, dass viele Kinder zu dick sind, bei Sportfesten nicht mehr so schnell rennen können und dass die Koordinationsfähigkeit fehlt - hm, das ist aber auch alles ne Frage von Erziehungsgestaltung und den Möglichkeiten, sich draußen frei bewegen zu können. Manche Super-Muttis, die zwar Aufkleber mit den Namen ihrer Blagen auf der Heckscheibe ihres Autos haben, aber sonst über wenig Rücksichtnahme und Denkvermögen verfügen, fahren ihre Blagen lieber mit nem großen SUV zur etwa 100 m entfernten Grundschule, weil ja ein Kinderschänder des Weges kommen könnte. Komisch, wir sind früher auch mit der Straßenbahn oder dem Bus zur weiterführenden Schule gefahren und da haben unsere Eltern sich auch nicht stets Sorgen gemacht, dass uns was passieren könnte. Wie ich schon mal in einem früheren Blog-Eintrag geschrieben habe: Das ganze Leben ist ein Risiko, schon wenn ich aufstehe - und leider versterben auch genug Leute im Schlaf, haha.
Wir sind auch problemlos und unfallfrei ohne Kindersitze von unseren Eltern im Auto von A nach B transportiert worden, aber seit April 1993 gilt ja die Kindersitzpflicht. Bei soviel Risiko - mögliche Kinderschänder, Kopfverletzungen bei nem Sturz vom Fahrrad, Tabakrauch, Verletzungen im Auto - fragt man sich echt glatt, wie uns unsere Eltern unfallfrei groß gekriegt haben. Wir hatten auch damals keine Handys; wenn wir weiter weg gegangen sind, haben wir unseren Eltern eben über die Gegensprechanlage Bescheid gesagt, wo wir hingehen, falls doch mal irgendwas passiert wäre. Wir haben auf Industriebrachen und in wildem Gestrüpp gespielt - um mal die Schlucht und die Schlacke in E-Schönebeck als Beispiele zu nennen - und trotzdem sind wir alle unfallfrei groß geworden. Natürlich gab es mal kleinere Schrammen, aber keine ernsthaften Verletzungen - und die kleinen Kratzer haben wir auch problemlos ausgehalten, ohne dass unsere Eltern uns direkt mit strengen Ermahnungen versehen inklusive hysterischem Geheule drinnen in der Wohnung behalten haben. Auch Dinge wie Retalin und Geschrei, wenn jemand sitzen geblieben ist, waren uns völlig fremd - heute soll ja schon das Sitzenbleiben abgeschafft werden und manche Kinder werden mit Retalin gegen vermeintliches AD(H)S vollgestopft, damit die schon mit sich total überforderten Über-Eltern und Lehrer ihre Ruhe haben.
Wir hatten weder Internet noch bescheuerte Promi-Magazine noch Esoterik-Hotlines noch Sorgen wegen Über- oder Untergewicht, aber wir konnten wenigstens draußen mit anderen Kindern spielen, und das auch noch unfallfrei. Solche Zicken-Themen wie Gewicht und Äußerlichkeiten gab es bei uns auch kaum; es gab eben auch dickere Kinder oder Jugendliche, und das haben wir auch so akzeptiert, ohne da ein Geschiss zu machen oder auf ach so tolle, stets gleichförmig gestaltete Werbeanzeigen in Illustrierten zu verweisen (die eh nur gefakete Fotos und Stories enthalten). Dickere Klassenkameraden/-kameradinnen wurden ebenso akzeptiert wie normalgewichtige, nur heute empfinden es manche als völlig normal, übergewichtige Personen anzufeinden oder gar zu mobben, während Magersucht und Bulimie wohl schon fast als normal hingenommen werden (wobei beide Erkrankungen genauso fatale Folgen haben können wie jahrzehntelanges, massives Übergewicht). Bei der ganzen Hysterie und dem Geschiss um manche Dinge fragt man sich echt, wie die Kinder unfallfrei groß geworden sind, die zwischen 1946 und ca. 1980 geboren wurden.
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