Jedenfalls hat dieses Unternehmen, das eine Personaldisponentin suchte, fast fünf Monate benötigt, um festzustellen, dass ich für die Stelle leider überqualifiziert bin. WOW! Das hätte den Verantwortlichen eigentlich auch ein bisschen eher auffallen können. Marina und ich haben ja auch schon mal eingehende Bewerbungen gesichtet und beurteilt - Einladungen zu Gesprächen oder Absagen folgten allerdings binnen spätestens zwei Wochen, die Eingangsbestätigung sogar noch am gleichen Tag. So schwierig kann das eigentlich nicht sein und rechtfertigt auch keine Bearbeitungszeit von mehreren Monaten. Da hat wohl mal jemand seinen Wust aufgeräumt und dabei fiel demjenigen dann auf, dass da noch unbeantwortete Bewerbungen rumfliegen.
Auf jeden Fall spiele ich mit dem Gedanken, dieses Absageschreiben rahmen zu lassen ;o), denn bis dato ist mir noch keine Absage untergekommen, in der:
- in einem Dreizeiler vier Rechtschreibfehler enthalten sind
- pro Zeile einmal das Wort "Arbeitsplatz" vorkommt
- ich als überqualifiziert bezeichnet wurde, wobei das ja angesichts der unpersönlichen Standard-Absagen, die sonst so kommen, schon fast von entwaffnender Ehrlichkeit ist
- dass der Dank für die Übersendung der Unterlagen fehlte. Ein kurzes Dankeschön für die Übersendung und das damit verbundene Interesse/Vertrauen ist selbst in den unpersönlichsten, unterkühltesten Absageschreiben enthalten. Stattdessen hieß es nur "...hiermit senden wir Ihnen Ihre Unterlagen ...zurück.
- das Layout so grottenschlecht war. Der Briefbogen war ja noch ganz nett, aber der darauf gedruckte Text...na ja.
Mehr fällt mir dazu echt nicht ein ;o). Neulich durfte ich über Twitter einen Artikel lesen, in dem es darum ging, dass eine Bewerberin abgelehnt wurde mit dem Hinweis, dass sie ein "Ossi" ist, denn ein entsprechender Hinweis befand sich wohl auf dem Lebenslauf, der der Bewerberin dann auch noch so zurückgesandt wurde. AUA! Dem Unternehmen war der Vorfall wohl peinlich, aber angeblich hatte es nichts mit ihrer Herkunft zu tun, dass sie nicht genommen wurde, angeblich gab es da wohl noch andere Gründe. Die Bewerberin klagt jetzt jedenfalls wegen Verstoßes gegen das AGG. Unverständlich ist das eigentlich noch nicht mal, denn es gibt Notizen auf Bewerbungsunterlagen, die dort einfach nix verloren haben, insbesondere wenn jetzt schon Nebensächlichkeiten wie Herkunftsland in manchen Firmen eine Rolle zu spielen scheinen, und die man dem Bewerber so auch nicht wieder aushändigen sollte, zumal "Ossi" schon ziemlich abwertend klingt.
Ich weiß auch nicht, welche Eigenschaften der zuständige Personaler mit einem Ossi assoziiert. Sind alle Menschen, die in Ostdeutschland zur Welt gekommen sind, prinzipiell nicht tragbar für ein Unternehmen wegen etwaiger Mitgliedschaft in SED, Stasi usw.? Auch das traf ja nicht auf alle ehemaligen DDR-Bürger zu, zumal eben jene Bewerberin schon 1986 - also drei Jahre vor dem Mauerfall - ausgereist ist. Das hat ja schon fast was von Sippenhaft. Werden jetzt katholische Bewerber auch schlechter behandelt, weil derzeit leider mit einiger Verspätung die ganzen Missbrauchsfälle in der katholischen Kirche hochkochen und weil jetzt einige Menschen meine, ALLE Katholiken haben so kranke Neigungen? Haben Moslems nun auch prinzipiell Nachteile im Bewerbungsprozess, weil sie potentielle Terroristen sein könnten? Da kann man im Prinzip bei jedem Bewerber was finden, was ihn als ungeeignet erscheinen lässt, das aber nichts mit seiner fachlichen und menschlichen Eignung zu tun hat, sondern eher mit Aussehen, Herkunft, Religionszugehörigkeit usw. Die Kriterien der Personalauswahl treiben aber mittlerweile einige seltsame Blüten in diesem Land, denn normalerweise sollte einem Bewerber vorurteilsfrei begegnet werden - unabhängig von Aussehen, Hautfarbe, Herkunft, Religionszugehörigkeit. Normalerweise macht man sich anhand objektiver Kriterien wie Zeugnisse, Anschreiben und Lebenslauf ein Bild über den Bewerber machen und nicht anhand persönlich gefärbter Stereotypien.
Ähnliches gilt auch für die fragwürdige Mode, dass mittlerweile über ein Drittel aller Unternehmen im Netz über Bewerber recherchiert, bevor eine Einladung zum Gespräch oder eine Absage erfolgt - also wird auch da offenbar prinzipiell jedem Kandidaten was Böses unterstellt. Sicherlich gibt es eine Reihe von Internet-Nutzern, die fragwürdige Kommentare unter dem Deckmäntelchen der Anonymität ablaichen, die Cyber-Mobbing begehen oder mehr als fragwürdige Seiten besuchen, aber es ist grundfalsch, dies jedem Bewerber zu unterstellen. Vor allem scheint es bei solchen Recherchen vielfach eher um Fragen von Weltanschauung, persönlichem Geschmack etc. zu gehen - was auch nicht das Kriterium für eine Einstellung sein kann, zumal selbst seriöse Inhalte durch Arbeitgeber unterschiedlich bewertet werden können.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen