Bereits gestern habe ich über Twitter bzw. Metal Hammer davon erfahren, dass der Sänger von Debauchery sozusagen vom Refrendariat als Lehrer in Baden-Württemberg gekündigt wurde, weil er aufgrund seiner Tätigkeit als Sänger/Gitarrist einer Death Metal-Band nicht tragbar sei. Ich kenne zwar keinen Song von Debauchery, lediglich einige Songtitel, aber Fakt ist offensichtlich, dass bislang keins der Debauchery-Werke wegen Jugendgefährdung, Rechtsradikalismus und anderen fragwürdigen Inhalten von staatlichen Stellen indiziert und beanstandet wurde, aber das Kultusministerium Baden-Württemberg schwingt sich plötzlich zur moralischen Instanz auf und belegt einen Metaller mit Berufsverbot als Lehrer...schon ein Grund mehr, nicht dorthin zu ziehen, Ex-Ministerpräsident Oettinger, der uns alle mit seinem schönen Schwänglisch (AUA!) so schön blamiert hat und offenbar gute Kontakte zu rechten Parteien unterhalten hat, war ja schon das stärkste Gegenargument, sich mal irgendwann dort niederzulassen (auch wenn die Landschaft sicherlich sehr schön ist und es dort u. a. gute Weine gibt). Diese Story tut ihr Übriges, zumal der Sänger offensichtlich nur die Chance bekommt, irgendwann wieder in den Schuldienst eintreten zu können, wenn er sich mindestens drei Jahre lang von seinen Bildern/Texten distanziert. Ich glaube, sowas nennt man Eingriff in die Persönlichkeitsrechte und in die künstlerische Freiheit. Berufsverbote wurden eigentlich mal in totalitären Regimen ausgesprochen gegen bestimmte Künstler (z. B. DDR, NS-Regime), aber offensichtlich befindet sich auch Deutschland auf dem besten Weg zur Chinese Democracy. Die deutschen Politiker zeigen zwar sehr oft auf Länder, in denen offensichtlich Menschenrechtsverletzungen in irgendeiner Form begangen werden (z. B. Folter, Todesstrafe, Einschränkung der Presse- und Meinungsfreiheit), aber hier im eigenen Land schauen sie dezent weg, auch wenn es hier (noch) nicht so extrem ist wie beispielsweise in einigen fundamental-islamischen Staaten.
Auch wenn Debauchery mit Kunstblut besudelt auf der Bühne stehen, Death Metal spielen und in den Augen mancher Leute provozierende Songtitel haben (z. B. Chainsaw Masturbation), dann haben die übereifrigen und ach so intellektuellen Herrschaften im Kultusministerium BW gar nix verstanden. Ich denke nicht, dass der Mensch, der dort auf der Bühne steht und mit seiner Musik, seinem Outfit und seinen Texten provoziert, irgendwas mit der Person gemeinsam hat, die einen Lehrberuf ausübt. Bühnen- und Privatmensch sind auch bei anderen Stars oft zwei ganz verschiedene Dinge, aber im toleranten BW ist das wohl noch nicht angekommen. Keiner ist 24 Std. am Tag Rockstar, der über die Bühne tobt und dort Sachen ins Mikro brüllt, die einige Menschen als anstößig, provozierend oder obszön empfinden, sondern auch ganz normaler Freund, Nachbar, Ehemann, Kunde im Laden usw. Viele Künstler provozieren gerne auf der Bühne durch ihre Texte oder ihr äußeres Erscheinungsbild - z. B. auch die Thrash Metal-Veteranen Slayer - das heißt aber nicht, dass sie ständig auf Randale, Satanismus oder sonstwas Schlimmes aus sind. Da hat sich wohl wieder irgendeine weltfremde Tussi zur erklärten Szenekennerin des Metal aufgeschwungen und leistet den gängigen Stereotypien noch Vorschub, dass Metaller sowieso alle gewaltbereite, todessehnsüchtige Satanisten sind, die obendrein auch noch ein Alkoholproblem haben. Herzlichen Glückwunsch zu soviel Toleranz und Weltoffenheit - oder sollte ich lieber sagen: Herzliches Beileid?
Allerdings beschränken sich die merkwürdigen Auswüchse von Intoleranz und Szenarien, die eigentlich noch zu gut aus der jüngeren deutschen Geschichte bekannt sein dürften, nicht nur auf BW, sondern sind auch in anderen Bundesländern zu finden. In Essen führt die Stadt derzeit eine Online-Umfrage durch, an der sich auch die Bürger beteiligen können. Es geht um konkrete Einsparmaßnahmen im Stadthaushalt, mehr dazu im Artikel unter Suite101.de. Hierunter findet sich auch eine Frage, ob die Hundesteuer erhöht werden soll. Hm, im dazugehörigen Forum geht es gar nicht so sehr um die läppische Erhöhung von 1,25 € pro Hund, sondern eher um andere Dinge - einer forderte doch ganz offensiv, dass Hunde mit Kennzeichen versehen werden sollten, damit man die Leute, die das Häufchen ihres Hundes nicht wegmachen, beim Ordnungsamt denunzieren kann. Analog wollte er wohl auch kontrollieren, ob für einige Hunde und ihren jeweiligen Halter der Sachkundenachweis vorliegt und ob auch schön alle Herrchen brav Steuern zahlen. Da haben einige auch geschrieben, dass das ja schon was von Stasi-Spitzel-Methoden hätte, wo ich diesen Nutzern durchaus Recht gebe. Offenbar soll das Denunziantentum wohl wieder hoffähig gemacht werden; wahrscheinlich ist das verfluchte Großmaul, das nur darauf wartet, andere beim Ordnungsamt anschwärzen zu können, der Erste, der die Rollladen runterlässt und den Fernseher lauter macht, wenn am späten Abend eine junge Frau um Hilfe schreit, weil sie von zwei finsteren Typen bedroht wird, denn sicherlich kann man es ihm nicht zumuten, dass er bei seinem heiligen Feierabend vor der Flimmerkiste auch noch von aufdringlichen Hilfeschreien gestört wird - die Dame kann sich ja auch sicherlich selbst helfen und hat um diese Zeit auch nicht auf der Straße unterwegs zu sein, dann begegnen ihr solche bösen Typen auch nicht - und selbst Schuld ist sie's auch noch, so wie sie immer rumläuft! Solche Leute kümmern sich nämlich um alles Mögliche - ob Frau Nachbarin die Treppe ordentlich geputzt hat, ob der Wellensittich des Nachbarn zu laut trällert, welche Musik jemand im Auto hört, Kommentare zu Aufklebern an Autos, aber da, wo mal Zivilcourage und Einmischung angebracht wären, sind solche Spitzel dann ganz schnell die Ersten, die von der Bildfläche verschwunden sind. Armes Deutschland!!!
1 Kommentar:
Recht hast Du. Bei denen piept's wohl. grrrrrrrrrrrrrrrr!!!
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