Montag, 11. Mai 2009

Dresscodes und ihre Sinnhaftigkeit

Auf Internet-Portalen wie Stepstone.de oder Monster.de erscheinen häufiger kleine Abhandlungen zu den Themen Bewerbung, Karriere etc. Besonders spannend sind immer die Ratgeber für den Dresscode von Büroangestellten. Klar, wenn man Publikumsverkehr hat, sollte man nicht gerade mit abgekauten Fingernägeln, fettigen Haaren und einem Motto-T-Shirt mit der Aufschrift "Legt sie alle um, Gott wird sie sortieren!" im Büro oder am Empfang sitzen, aber teilweise wird auch stark übertrieben, zumal sich einiges auch in Büroberufen schon gelockert hat.

Eine durchaus gepflegte Bewerberin, die in Blazer, Rolli, Jeans und Schuhen mit Absatz zum Vorstellungsgespräch erschienen war, erwiderte auf die Frage von meinem Chef, warum sie denn in Jeans zu einem Gespräch im Bankenumfeld erscheine: "Wichtig ist doch nicht meine Kleidung, sondern dass, was drin steckt!" Auch wenn wir die Bewerberin aus anderen Gründen nicht genommen haben, zumal sie ohnehin kein größeres Interesse an einer Anstellung zu haben schien, ist ihre Aussage zu ihrer Kleidung vom Grundsatz her richtig und hat mir damals echt imponiert.

Schaut man sich in der deutschen Wirtschaft (oder auch in der Medienlandschaft) um, stellt man fest, dass die Leute zwar alle wer-weiß-wie bieder und konservativ wirken, aber dass dies oft nur Mittel zum Zweck zu sein scheint, um den nicht vorhandenen Inhalt zu kaschieren. Was nützt mir eine teure, schön gemachte Verpackung bei einem Produkt, wenn der Inhalt der schönen Verpackung aber nicht funktionstüchtig ist, nicht schmeckt oder sogar schon total verfault ist? Es entsteht oft der Eindruck, dass gerade die birnigsten Typen gut genug sind - Hauptsache, das Outfit stimmt. Im Übrigen: Selbst manche Triebtäter machen sich diese Oberflächlichkeit und kurzsichtige Denkweise zunutze - sie ziehen sich an wie die geschniegelten Affen und suchen mit ihrem stylischen, konservativen Aussehen und aufgesetzter Höflichkeit Kontakt zu ihren späteren Opfern ("Darf ich Ihnen die Einkaufstasche nach Hause tragen?"). Was mit den Kerlen eigentlich los ist, merken viele erst, wenn's (fast) zu spät ist. Ist also ein Anzugträger automatisch ein besserer Mensch? Nein, er kaschiert sein finsteres Innenleben nur.

Diejenigen, die für den Einsturz des Stadtarchivs und umliegender Gebäude in Köln verantwortlich sind, haben einige Menschen obdachlos und sogar zu Tode gespart - wahrscheinlich auch alles Anzugträger, die aber weniger das Allgemeinwohl, sondern ihren eigenen Profit und Sparen am falschen Ende im Auge hatten. Selbst Warnungen im Vorfeld wurden nicht ernst genommen. Zwei Menschen sind tot, einige obdachlos - aber Hauptsache, die Verantwortlichen haben Anzug und Kostümchen getragen und nach außen hin die Scheinheiligen gemimt.

Es kommt nicht nur auf Äußerlichkeiten an - auch auf innere Werte. Eine hohle Nuss ohne Gewissen und Persönlichkeit wird nicht automatisch durch Einhaltung eines bestimmten Dresscodes zum sympathischen, intelligenten Menschen, umgekehrt sind Jeans- und Lederjackenträger nicht grunsätzlich asozial und doof. Sie haben nur keine Lust, sich ewig in irgendwelche Klischeevorstellungen reinpressen zu lassen. Deshalb stimmt die Aussage "Nicht die Verpackung ist entscheidend, sondern das Innenleben."

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