Donnerstag, 7. Mai 2009

Esoteriker erklären die Welt

In dem von mir kürzlich empfohlenen Buch von Dr. Eckhart von Hirschhausen äußert er sich in humorvoller Weise auch zum Thema Esoterik und ihrer Art, die Welt erklären zu wollen. Er stellt fest, dass Bücher mit Anleitungen, wie man sich etwas im Universum bestellen kann (Parkplatz in der Innenstadt, neue Liebe, tolle Wohnung etc.), die Bestsellerlisten füllen und dass Esoteriker für alle möglichen Schicksalsschläge eine Erklärung haben. Die ist natürlich ganz einfach: Man hat sein Unglück karmisch angezogen!

Für das sinnentleerte Geseier von Esoterikern am Krankenbett hat er auch direkt einen passenden Ratschlag. Liegt jemand im Krankenhaus, weil bei ihm Krebs diagnostiziert wurde, wird der wohlmeinende, esoterische Karmakenner sagen: "Überleg doch mal, hast du die Krankheit nicht unbewusst irgendwie gewollt, also sie irgendwie angezogen?" von Hirschhausens Tipp: Hören Sie dem Esoteriker geduldig zu, lächeln sie und schlagen sie ihm mitten während seines Vortrags mitten ins Gesicht. Nutzen Sie den Moment der Überraschung und sagen Sie: "Du, ich weiß auch nicht, wie das gerade passieren konnte, aber überleg doch mal: Vielleicht hast du's ja irgendwie angezogen?"

Kein Wunder, dass die Sektenberatungsstellen sich mittlerweile weniger um Anhänger der "klassischen Sekten" wie Muhn oder Hare Krishna kümmern müssen, sondern um Esoterik-Jünger, für die die Beschäftigung damit zur Sucht geworden ist. Esoterik-Portale wie Viversum und Questico haben Hochkonjunktur und produzieren die nächsten überschuldeten Mitbürger Deutschlands. Die Unfähigkeit, für sich und sein Leben Verantwortung übernehmen zu wollen und zu können, kommt den selbsternannten Sehern und Kartenlegern gerade recht - solange sie die Hoffnung aufrecht erhalten, dass der Ex-Partner doch noch eines Tages zurückkommt, wird die Dame immer wieder anrufen und sich das Geld aus der Tasche ziehen lassen, auch wenn alle Anzeichen im realen Leben dafür sprechen, dass der Ex NICHT mehr zurückkommt. Anstatt sich mit dem Schmerz über den Verlust auseinander zu setzen, schmeißen sie lieber ihr Geld zum Fenster raus, um sich beschwindeln zu lassen. Das kann man auch wesentlich kostengünstiger haben: beim Stiegenhaustratsch, beim Fernsehen oder bei der Verfolgung einer Bundestagsdebatte.

Krankheit, Trennung, Unfälle, Todesfälle, Arbeitslosigkeit etc. sind also keine Folge von ungünstigen Umweltfaktoren, genetischer Disposition und anderen Faktoren - nein, der Betroffene hat es karmisch angezogen! Na, das sollen die selbsternannten Schlauberger doch mal all jenen erzählen, die zwischen 1939 und 1945 von den Nazis in Konzentrationslager deportiert wurden. Will mir jetzt irgendein Esoteriker auch noch erzählen, dass nicht das menschenverachtende, kranke Weltbild der Nazis dafür verantwortlich war, sondern das schlechte Karma der KZ-Häftlinge? Haben die das auch irgendwie karmisch angezogen? Oder haben die vielen Frauen, die im Jugoslawien-Krieg massenweise vergewaltigt wurden, das auch mit ihrem schlechten Karma herbeigeführt? Hatte das World Trade Center auch ein schlechtes Karma, oder warum haben da ein paar Wahnsinnige zwei Flugzeuge reingesteuert? Ist der Tsunami vom 26.12.2004, bei dem viele tausend Menschen ums Leben kamen, auch esoterisch und karmisch begründbar? Wohl kaum...so schlimm die ganzen genannten Ereignisse auch sind, sie sind jedoch alle ideologisch, politisch oder biologisch zu erklären, aber ganz bestimmt nicht esoterisch.

Die Esoterik tut immer so, als habe sie für alles eine Antwort und wenn man nur lange genug positiv denkt, dann wird alles schon gut. Krankheit, Tod, Verbrechen, Naturkatastrophen beruhen alle nur auf der Summe schlechter Gedanken, so dass es wohl jeder selbst Schuld ist, wenn er krank, arbeitslos oder Opfer eines Verbrechens/einer Naturkatastrophe wird. Sie verwechselt die positive Psychologie mit dem positiven Denken nach Murphy, das erwiesenermaßen krank macht. Ich kann noch so positiv an ein Vorhaben herangehen, ob das gut ausgeht, hängt auch von anderen Faktoren ab, zum Beispiel von meinem Gegenüber, das am Ausgang der Geschichte auch noch ein Wörtchen mitzureden hat. Wenn ich zu einem Vorstellungsgespräch gehe, sollte ich da zwar mit gesundem Optimismus rangehen, aber ob ich die Stelle letzten Endes bekomme, hängt davon ab, ob ich dem Personalchef sympathisch bin, ob die Stelle nicht insgeheim schon anderweitig vergeben ist, ob er meint, ich passe ins Unternehmen etc. Gesundes Selbstvertrauen stärkt zwar mich, aber hat keinen Einfluss auf mein Gegenüber.

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