Ich bin immer wieder erstaunt, was heute alles schon als krank oder pathologisch angesehen wird. Normalerweise schaue ich mir gerne und auch regelmäßig "Visite" im NDR an, aber ein Beitrag auf der letzten Sendung hat mich doch ein wenig genervt. Ein Arzt mit mildtätigem Gesicht stellte die These auf, dass Sitzen das neue Rauchen sei. Ah ja...!!
Ich kann mich an Zeiten erinnern, wo das Stehen während der Arbeit als ungesund bezeichnet wurde, zumal gerade Menschen, die einen "stehenden" Beruf hatten (Fach- und Hilfsarbeiter in Fabriken, Friseure usw.), oft in fortgeschrittenem Alter Probleme mit Wirbelsäule oder Bandscheiben bekamen, aber wenn man diesem Beitrag glauben darf, ist ständiges Sitzen ungesund. Okay, ich halte auch nix von Leuten, die auf ihrem Bürostuhl festwachsen und denen es schon fast zuviel ist, sich zum zehn Meter entfernten Kopierer zu begeben, aber lt. diesem Beitrag ist bis auf Bewegung alles relativ ungesund - liegen, sitzen, stehen. Eine dieser Haltungen nimmt man aber öfter mal über einen längeren Zeitraum ein, z. B. legt man sich für sieben, acht Stunden hin, wenn man der Nachtruhe fröhnt - okay, dann sollen wohl alle demnächst auf ihre Nachtruhe verzichten und stattdessen ruhelos durch ihre Wohnung tapern, weil alles andere außer Bewegung ungesund ist :o).
Ja, und dann meldet sich der nächste Mediziner, der rumjammert, dass Schlafmangel krank macht (Neigung zu Depressionen und Übergewicht, Konzentrationsschwäche, vorzeitige Hautalterung etc.). Irgendwie können die Leute es wohl nur verkehrt machen, denn selbst Jogging oder Fitness-Studio nach getaner Arbeit im Büro können demnach den Bewegungsmangel nicht ausgleichen...
Auch die Werte für bedenklichen Bluthochdruck wurden im Laufe der Zeit immer weiter nach unten korrigiert - früher galten Werte von 200 : 110 als hochnormal, heute wird ja vielfach leider schon ein Blutdruck von 140 : 90 als ungesund angesehen. Ideal ist demnach 120 : 70 bis 130 : 80. Auf jeden Fall ist diese ständige Korrektur nach unten ein Segen für die Pharmaindustrie, die Blutdrucksenker und Betablocker herstellt, denn damit werden ja auch im Prinzip gesunde Menschen, deren Werte leicht nach oben abweichen (z. B. 145 : 90) und die keinerlei Beschwerden haben, auch für krank erklärt, damit der Arzt wenigstens mal wieder ein Medikament gegen Bluthochdruck aufschreiben kann.
Ansonsten nervt mich, wie schon mal öfter erwähnt, die Nahrungshysterie. Es gibt Menschen, die nachgewiesenermaßen an Zöliaklie (Glutenunverträglichkeit) leiden oder auch an Laktoseintoleranz, aber manche glauben ja schon, daran zu leiden, sobald sie etwas zu dem Thema gelesen haben, vor allem, wenn unsere Medien die früher als gesund bekannte Kuhmilch plötzlich als krank machend deklarieren *kopfschüttel*. Natürlich gibt es Sojamilch, das ist richtig, aber durch den massenhaften Anbau von Soja für alle möglichen und unmöglichen Produkte entsteht eine Monokultur, die auch nicht gut sein kann. Egal, welche Beschwerden jemand hat: Das sollte er doch vom Arzt abklären lassen anstatt jeden Mist zu glauben, der irgendwo geschrieben steht und sich wie ein dummes Kind beeinflussen zu lassen. Ebenso wenig ist es zielführend, Beschwerden zu googlen und sich sein eigenes Krankheitsbild zu konstruieren, bevor man zum Doc geht.
Wenn jemand z. B. an Bauchschmerzen leidet, ist das recht unspezifisch, weil Bauchweh auf alles Mögliche hinweisen kann: Blinddarmentzündung/-reizung, der Verzehr von nicht mehr ganz frischen Speisen, Magenschleimhautentzündung, Magengeschwür, Aufregung...den Grund kann ich aber eigentlich nur durch eine ärztliche Untersuchung rausfinden, aber bestimmt nicht durch das Googlen von Symptomen. Für manche scheint es heute zum guten Ton zu gehören, an irgendeiner Mode-Krankheit zu leiden anstatt froh zu sein, wenn sie nix haben.
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