Heute kam der Brief von Specki aus der Rheumatologie in Werden. Wie wohl zu vermuten war, ist mein APS derzeit putzmunter, denn der Anticardiolipin-Antikörper liegt bei 60 U, was einer deutlichen Erhöhung entspricht (im Januar war er zwar auch erhöht, lag aber nur bei 42 U) und auch der ß2-Antikörper, der im Januar nur ganz gering erhöht war, ist mit 30 U jetzt im mittleren Bereich anzusetzen.
Specki hat auch noch mal eindringlich auf den erhöhten INR von 2,8 - 3,2 hingewiesen, um weitere Komplikationen, die ja auch mal irreversibel enden können, zu vermeiden, denn den Brief bekomme ja nicht nur ich, sondern auch mein Hausarzt und die Krankenkasse. In der Vergangenheit lag mein INR zwar bis auf wenige Ausnahmen kontinuierlich über dem damals gültigen therapeutischen Bereich von 2,5 - 3,0, aber da mein APS ja offenbar derzeit sehr aktiv ist, hatten wenige Tage, in denen der INR unterhalb von 2,5 lag, auch solche fatalen Auswirkungen, die mich ins Philipp gebracht haben :o(. Es ist zwar selten seit Juli 2011 vorgekommen, aber wenn mein INR wirklich mal kurzfristig unter 2,5 lag, dann hat mein Körper das auch komplikationslos verkraftet, aber bei der derzeitigen Erhöhung der relevanten Antiphospholipid-Antikörper wundert es mich nicht, dass es diesmal selbst nach zwei Tagen unterhalb des therapeutischen Zielbereichs zu Problemen gekommen ist. Aus dem Grund haben wir ja auch den INR und damit gleichzeitig die Marcumarisierung verschärft.
Ich glaube, ich sollte diesen Brief immer mitführen, um Ärzten, die nur nach Lehrbuch gehen ("Normalerweise reicht ein INR von 2,0 doch aus..." *stöhn*) bzw. die die Krankheit überhaupt nicht kennen, das Maul zu stopfen, denn gelinde gesagt bin ich die vielen Diskussionen mit manchen Ärzten, die nur Schema F kennen bzw. das APS überhaupt nicht, leid. Natürlich kann auch ein Arzt nicht jede Krankheit auf diesem Planeten kennen, zumal manche Autoimmunerkrankung weniger als 500 Menschen weltweit betrifft, aber die Zahl beim APS ist gar nicht so klein - in Deutschland wird die Zahl der Menschen, die an einem Antiphospholipid-Syndrom leiden, auf 2 - 5 % der Bevölkerung geschätzt, d. h. bei 80 Mio. Einwohnern in der Bundesrepublik sind das 150.000 - 400.000 Menschen, die Dunkelziffer, bei denen das APS noch gar nicht entdeckt wurde bzw. noch keine Komplikationen ausgelöst hat, nicht mit eingerechnet. So wenige sind wir APS-Patienten ja dann wohl nicht, denn immerhin bewegen wir uns ja hierzulande im sechsstelligen Bereich. Deshalb bin ich immer wieder erstaunt, dass viele Ärzte über das Krankheitsbild nicht bzw. nur unzureichend informiert sind.
Als ich letztes Jahr für eine gute Woche in Werden auf der Rheumatologie lag, habe ich eine Frau namens Uschi (43) kennen gelernt. Sie leidet wirklich an einem Syndrom, dessen Namen ich leider schon wieder vergessen habe, das weltweit nur 500 Menschen betrifft. Zum Glück kennt Specki sich mit der Autoimmunerkrankung ja offenbar auch aus, aber Uschi und ich teilen das Schicksal vieler chronisch kranker Patienten, auch wenn es sich um zwei unterschiedliche Krankheitsbilder handelt: Oft wird man von Ärzten nicht verstanden und sieht sich überflüssigen Diskussionen ausgesetzt, weil die jeweilige Krankheit total vom Standard abweicht und nicht in irgendein Lehrbuch passt.
Uschis Krankheit war/ist total ominös. Wenn irgendwo eine Mangeldurchblutung stattfindet oder bestimmte Organe/Gefäße gar nicht mehr durchblutet werden, gehen Ärzte ja von einem wirksamen Fließhindernis im Gefäßsystem aus - sei es ein Blutgerinnsel oder eine aufgrund von Artherosklerose verstopfte Ader. Nee, bei Uschis Syndrom trifft das aber nicht zu, da sind die Blutgefäße wohl frei, aber ihre Krankheit besitzt öfter mal die Freundlichkeit zu sagen: "Och, heute habe ich mal keine Lust, die Lunge zu durchbluten, morgen unterlasse ich dann mal die Durchblutung einer Niere und mal gucken, was ich übermorgen nicht vollständig durchblute." Die Ärzte sind da wohl jedesmal sehr erstaunt, wenn irgendein Organ oder eine Körperregion nicht oder nur unzureichend durchblutet wird, weil ja kein wirksames Fließhindernis (siehe oben) zu finden ist, denn laut Lehrbuch sorgen ja nur Blutgerinnsel oder verkalkte Adern für mehr oder weniger heftige Durchblutungsstörungen. Das ist dann auch jedes Mal ein schöner Spießrutenlauf für sie. Ich finde uns chronisch Kranke aber auch empörend: Da legen wir uns einfach Krankheiten zu, die so ganz aus dem Lehrbuch fallen :o)).
Die Heulboje, die ich vor fast zwei Wochen im Philipp kennen gelernt habe, war zwar nervig, verwöhnt und extrem ich-bezogen, aber sie hatte mir mal erzählt, dass ein Arzt bei ihr den Lupus diagnostiziert hätte, und dafür kann sie natürlich nix. Ooooohhhh....ein Arzt, der das Wort Lupus kennt, alle Achtung! Leider hat der gebildete Arzt aber vergessen, ihr zu sagen, welchen Lupus sie hat, da gibt's nämlich mehrere:
1. Systemischer Lupus Erythematodes (SLE)
2. Diskoider Lupus Erythematodes (DLE)
3. Lupus Antikoagulans - steht mit dem APS in unmittelbarem Zusammenhang und wird manchmal auch als Synomym dafür verwendet
4. Lupus pernio, eine Abart der Sarkoidose.
Tja, welcher Lupus darf es denn sein, lieber Arzt? :o) Darüber hättest du die Dame vielleicht auch noch aufklären sollen, einfach nur ein schlaues Wort in die Gegend reinrufen, reicht leider nicht. Das ist genauso, als wenn ein Arzt seinem Patienten sagt, dass er an Morbus leidet, aber vergisst, den Morbus näher zu spezifizieren, denn ad hoc fallen mir da der Morbus Crohn, der Morbus Menière und der Morbus Bechterew ein, wobei es sicherlich noch mehr Krankheiten gibt, die mit "Morbus" anfangen. Die drei vorgenannten Krankheitsbilder fangen zwar alle mit Morbus an, meinen aber ganz unterschiedliche Erkrankungen. Solche Dialoge und Halbwahrheiten machen noch weniger Spaß als Autoimmunerkrankungen an sich.
Und um mal die oft auf Google gestellte Frage zu beantworten, wie hoch die Lebenserwartung bei Menschen ist, die an einem Antiphospholipid- bzw. Hughes-Syndrom leiden: Lasst Euch nicht verrückt machen, Ihr könnt mit der Krankheit wie jeder andere Mensch ohne APS auch steinalt werden - vorausgesetzt, es passieren keine ganz schlimmen Zwischenfälle und/oder ihr geratet an Ärzte, die von der Krankheit gar keine Ahnung haben und Euch aus Unwissenheit vorzeitig ins Grab bringen. Umgekehrt kann auch ein gesunder Mensch, der kein APS oder eine andere gravierende Autoimmunerkrankung hat, in frühen Jahren aufgrund eines Unglücksfalls versterben. Wenn Euch einer Panik machen will im Sinne von "Mit Ihrer Krankheit werden Sie nicht älter als 40 oder 50...", nehmt es wohlwollend zur Kenntnis und ignoriert es ansonsten. Eure Lebensdauer hängt nicht allein vom Antiphospholipid-Syndrom oder einer anderen Erkrankung ab, da spielen noch einige andere Faktoren mit (Lebensweise, genetische Disposition etc.).
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