Samstag, 18. Juni 2011

Zwei kleine Leseproben aus "Düstere Schauergeschichen"

Nachtschreck und Morgengrauen

[...] Claudia und Richard hatten zehn Särge gezählt, die den Hang herunter gespült worden waren. Bei den meisten hatten die Verschlüsse zum Glück gehalten, aber bei Dreien war der Deckel aufgesprungen. Von der Auskleidung des Sarges war nichts mehr übrig und von den darin befindlichen Leichen selbst auch nur noch das Skelett. Martha wandte sich ab, weil ihr übel wurde beim Anblick der sterblichen Überreste. Claudia hatte zwar einen sehr makaberen Humor, aber es war ein Unterschied, ob man Skelette in Comics sah bzw. im Fernsehen oder ob man reale Gerippe vor sich hatte. Der echte Anblick war nicht mit dem aus der Distanz des Fernsehens zu vergleichen.

Eins der Skelette war komplett zahnlos, weil der Mensch, zu dem es gehörte, vermutlich zu Lebzeiten ein Gebiss getragen hatte. Die leeren, schwarzen Augenhöhlen starrten mit entsetzlicher Konzentration in den Nebel. [...]


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Beerdigungsmusik

[...] Ein dritter Friedhofsgärtner öffnete das Tor weiter, damit ein Fahrzeug einfahren konnte; vermutlich ein Leichenwagen. Sie drehten sich um. Tatsächlich steuerte ein großer Mercedes Kombi aus den 1970er Jahren mit dunkel getönten Scheiben langsam auf das Tor zu. Auf der Tür waren mittels silberfarbenen Aufklebern der Name des Beerdigungsinstituts (Bestattungen Verweser - wie passend!) und ein großes Kreuz angebracht. Sie gingen zur Seite, um dem Leichenwagen Platz zu machen. Der Fahrer hatte die Seitenscheibe herunter gelassen und nickte zum Dank einmal mit dem Kopf. Als er an Rosanna vorbei fuhr, gefror ihr das Blut in den Adern. Unwillkürlich lehnte sie sich an Frank. Der Typ hinterm Steuer trug, wie im Bestattungsgewerbe üblich, einen schwarzen Anzug, zudem noch eine dunkle Sonnenbrille und eine Chauffeurs-Mütze. Eigentlich sah er ganz normal aus, aber dieses Grinsen, das er Rosanna schenkte, war geradezu irre und maliziös. Sein gut rasiertes Durchschnittsgesicht wirkte maskenhaft, das irre Grinsen wie eingeätzt. Sie musste an den ähnlich unheimlich anmutenden Leichenwagenfahrer aus dem Horror-Film "Das Landhaus der toten Seelen" mit Bette Davis, Karen Black und Oliver Reed in den Hauptrollen denken. Der Leichenwagenfahrer in diesem Film hatte genauso bösartig, wissend und hinterlistig gegrinst. [...]


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Bibliographische Daten:
Alexandra Döll. Düstere Schauergeschichten. Zwei unheimliche Kurzgeschichten aus'm Ruhrgebiet. Books on Demand GmbH, Norderstedt, 2010. ISBN: 978-383917-1622. Paperback, 52 Seiten. Preis: 5,50 Euro. Erhältlich bei Amazon, Thalia, Libri und weiteren Online-Buchshops.

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