Mit Fehlverhalten im Vorstellungsgespräch müssen gar nicht die ganz harten Sachen gemeint sein wie z. B. in Tränen ausbrechen, wenn der Personalchef den Kandidaten fragt, ob er gut her gefunden habe, Versuch des Bewerbers, Personalchef zum Abschied zu küssen, den Motorradhelm während des ganzen Gesprächs aufbehalten u. ä., oft reichen auch schon Kleinigkeiten, um sich selbst um die Chance auf nen neuen Arbeitsplatz zu bringen bzw. um sämtliche Arbeitslose in Verruf zu bringen.
Ich habe bereits auf beiden Seiten des Schreibtischs gesessen - sowohl als Bewerberin als auch auf der Arbeitgeberseite - und bei der Einladung zu bzw. der Durchführung von Vorstellungsgesprächen sind auch schon Klopper passiert, die negative Vorurteile schüren, ohne dabei das so ein gravierendes Fehlverhalten wie die o. g. an den Tag gelegt wurde.
- Eine Bewerberin fasste den Vorstellungstermin als Gleitzeittermin auf ("Ich dachte, ich könnte irgendwann zwischen 13 und 14 Uhr kommen!")
- Die gleiche Bewerberin äußerte ihr Entsetzen darüber, dass Kunden ohne vorherige Terminabsprache auch schon mal im Projektbüro stehen und eine Frage oder einen Bewerbungswunsch haben, denn "so spontan kann ich nicht arbeiten" (Ah ja...!)
- Antwort auf die Frage, warum sich der- oder diejenige denn auf die ausgeschriebene Stelle beworben habe: "Hat mir das Arbeitsamt vorgeschlagen - da musste ich ja...!" oder "Besser irgendwas im Büro als gar keine Arbeit." (Vielen Dank für soviel Motivation!)
- Gefälschte - also selbst geschriebene Arbeitszeugnisse - waren auch in Einzelfällen dabei
- Zwei Damen brachten zum Vorstellungsgespräch ihren Lebenspartner mit - ohne dass eine körperliche Behinderung eine Begleitperson notwendig gemacht hätte, aber: "ohne meinen Mann gehe ich nirgendwo hin!" (Schade...)
- Antworten, die aus ganzen Sätzen hätten bestehen müssen, bestanden aus "Ja", "Nein" oder "Weiß nicht." (Manche sprechen halt nicht...)
- Verschlimmbesserung des Textes, der als Einstellungstest gedacht war - aber vorher wurde groß angegeben, dass man fit in deutscher Rechtschreibung und Zeichensetzung sei (schön, wenn die Seite nachher mehr rote Korrekturen als schwarze Schrift enthielt)
- Nichterscheinen zum Vorstellungsgespräch, ohne vorherige Absage des Termins. Wir haben es erlebt, dass an einem Tag, an dem vier Bewerberinnen eingeladen waren, nicht eine erschienen ist und auch fortan nicht mehr erreichbar waren für das Unternehmen (von Arbeit war offensichtlich nie die Rede...)
- Ein mit drei Personen besetztes Sekretariat wurde als Großraumbüro bezeichnet und so konnte die Dame, die ihren Mann mit zum Gespräch brachte, einfach nicht arbeiten (schön, wenn frau einen an der Waffel hat)
- total überzogene oder total untertriebene Gehaltsvorstellungen, denn während die Eine lediglich 1.500 Euro brutto bei ner Vollzeitstelle verlangte, wollte die andere direkt 60.000 Euro Jahresgehalt abgreifen, obwohl bisheriger beruflicher Werdegang und Qualifikation gerade mal die Hälfte gerechtfertigt hätten (wobei 2.500 Euro monatlich ja nun auch kein unterdurchschnittlicher Betrag ist).
Wie schon gesagt: Auf beiden Seiten - sowohl auf Arbeitgeber- als auch auf Arbeitnehmerseite - gibt es gute und schlechte, wobei manche den Fehler machen, von einem negativen Beispiel auf den gesamten Rest der jeweiligen Seite zu schließen. Es gibt Arbeitgeber, für die ich aus etwaigen Gründen nicht tätig werden wollte, aber das heißt nicht, dass alle Arbeitgeber so sind. Umgekehrt gibt es natürlich faule Arbeitslose, die sich nur als Alibi-Funktion bewerben, damit ihnen Arbeitsagentur oder Job-Center nicht das ALG I oder Schröder IV kürzt oder ganz entzieht, aber auch das ist nicht die Mehrheit. Die meisten Arbeitslosen wollen arbeiten und unabhängig von staatlichen Hilfen leben - was aber nicht heißt, dass sich jeder Arbeitslose jetzt alles gefallen lassen sollte, was untertarifliche Entlohnung, Aufgabengebiet etc. betrifft.
Ich könnte mir z. B. wahnsinnig schlecht vorstellen, den ganzen Tag nur Dienst nach Vorschrift ohne Entscheidungs- und Gestaltungsspielraum zu machen. Reine Korrespondenzerstellung nach Phonodiktat (wenn's mal ist, ist das unproblematisch) oder der Austausch von Firmenlogos in PowerPoint-Präsentationen ohne weitere Aufgaben reizen mich nicht unbedingt, zumal ich bei meiner letzten Stelle das Glück hatte, ein sehr vielfältiges Aufgabengebiet mit viel Entscheidungs- und Gestaltungsspielraum zu haben (Lektorat, Beratung von Bewerbern in mehrerlei Hinsicht, Kundenbetreuung, Bewerbermanagement, eigenständige Erstellung von PowerPoint-Präsentationen und der anfallenden Korrespondenz, Office Management...) und mein Ziel ist es auch, etwas Vergleichbares wieder zu finden, denn wenn ich nur Dienst nach Vorschrift machen bzw. als dümmlich lächelndes Vorzeigepüppchen fungieren soll, das seine Persönlichkeit morgens am Empfang abgibt, ist das absolut nix für mich.
Umgekehrt sind viele Arbeitgeber aber gerade bei Bewerberinnen sehr erstaunt, wenn die sagt, dass sie nicht nur Dienst nach Vorschrift machen und sich willig am Nasenring passiv durch den Arbeitsalltag zerren lassen will, sondern auch eigenverantwortlich handeln möchte - bei männlichen Bewerbern wird eine selbstständige Arbeitsweise fast vorausgesetzt, während Frauen im Bewerbungsprozess leider vielfach nicht dieselbe aktive Rolle zugedacht und zugetraut wird. Ein Blick über den Tellerrand kann auch in den Fällen nicht schaden, würde ich sagen.
Ähnlich wie manche Arbeitgeber ein kariertes Maiglöckchen verlangen und unrealistisch hohe Erwartungen an ihre Bewerber stellen - 28 Jahre jung, 15 Jahre Berufserfahrung, ein Aussehen wie ne genetische Super-Züchtung aus Heidi Klum, Claudia Schiffer und Eva Padberg bzw. George Clooney, Brad Pitt und Justin Bieber, gute Kenntnisse in mindestens drei Fremdsprachen, bitte nur Erfahrung in bestimmten Branchen und dann bei ner 40-Stunden-Woche lediglich ein Gehalt von 1.200 bis 1.800 Euro brutto u. ä.., verhält es sich oft auch mit der Partnerwahl, aber das ist wieder ne andere Geschichte. Oft werden Bewerbungen immer mit ner Art Flirt verglichen, was angesichts mancher unrealistisch hoher Erwartungshaltung gar nicht falsch ist.
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