Samstag, 14. Januar 2012

Schön, was alles reglementiert wird

Politik und Wirtschaft versucht ja alles zu reglementieren, was nur irgendwie geht - Raucherpausen, Raucherclubs, Alkoholkonsum usw. - aber da, wo manche Menschen mal genauer hinschauen müssten, tun sie es dann mal wieder nicht. Anders kann es nicht zu erklären sein, dass immer wieder Kinder, die in Pflegefamilien untergebracht sind, dort vielfach dasselbe oder ein noch schlimmeres Martyrium erleiden als in ihren Herkunftsfamilien, sogar bis hin zum Tod des Kindes. Es wäre schön, wenn in solchen Zusammenhängen mal mehr kontrolliert würde anstatt sich dauernd nur in moralisch-sittlicher Empörung übers Rauchen, Tabletteneinnahme u. ä. zu ergehen und den Leuten vorzuschreiben, wie sie bitte ihr Leben und ihre Persönlichkeit zu gestalten haben.

Es ist ja positiv, dass der junge Mann, der unter Alkohol- und Kokaineinfluss im Ostviertel Essens eine junge Frau zu vergewaltigen versucht hat bzw. sexuell genötigt hat, tatsächlich eine Haftstrafe bekommt - wenn auch mit etwas über zwei Jahren ziemlich wenig. Allerdings finde ich das Argument für die Strafverschärfung äußerst fragwürdig: Der junge Mann hat im berauschten Zustand eine ihm unbekannte Frau angegriffen - wie schön. Wäre es etwa strafmildernd gewesen, wenn er keine ihm unbekannte Frau sexuell genötigt hätte, sondern eine Bekannte oder Ex-Freundin? Soll das jetzt ein Freibrief für fragwürdige Zeitgenossen sein, sich an Bekannten, Kolleginnen oder Freundinnen vergreifen zu dürfen? Wenn ich diejenige also kenne, ist das nicht so schlimm, wenn ich sie vergewaltige, denn dann ist das Opfer es ja auch noch selbst Schuld, wenn sie mir vertraut hat? Na, herzlichen Glückwunsch zu dieser fragwürdigen Denkweise *reiher*.

Egal, ob sich Täter und Opfer kannten oder auch nicht: Die Folgen der Tat bleiben für das Opfer - deren heutiger Zustand aber nur am Rande beschrieben wurde; nämlich, dass sie heute noch Angst hat, im Dunkeln auf die Straße zu gehen - dieselben, dabei kommt es nicht darauf an, ob sie ihren Peiniger gekannt hat oder ein Zufallsopfer eines Unbekannten wurde. Und gerade, wenn es ein Bekannter gewesen wäre, der sie sexuell attackiert hätte, wäre das eigentlich ein Grund für Strafverschärfung gewesen, weil der massive Übergriff dann auch noch mit einem Vertrauensbruch innerhalb einer persönlichen Beziehung einher gegangen wäre. Das Vertrauen eines Opfers ist ohnehin erst mal dahin, aber wenn es dann auch noch ein Bekannter ist, bei dem sie davon ausgegangen ist, dass er ihr sowas nicht mal im Vollrausch antun würde, ist das ein doppelter Vertrauensverlust, weil sie dann abgesehen von den Tatfolgen im Allgemeinen sicherlich auch ihr Vertrauen in ihren männlichen Bekanntenkreis verloren hätte.

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