Als junge Studentin habe ich zwischen August 1998 und Februar 2000 zweimal pro Woche als Praktikantin bzw. ehrenamtliche Mitarbeiterin in einer Beratungsstelle für Straffällige in Essen-Freisenbruch mitgearbeitet, wobei mir die Arbeit trotz des Klientels, bei dem manchen schon die Nackenhaare hochgehen würden, unheimlichen Spaß gemacht hat, denn nicht alle Knackis sind, wie so gern behauptet wird, gewaltbereite Monster ohne jedwede menschliche Empfindung, zumal unser Klientel damals ohnehin zu einem großen Teil aus Menschen bestand, die wegen Verstoßes gegen das BtmG und ggf. noch wegen Beschaffungskriminalität einsaßen.
Im Knast gibt es ja bestimmte Ausdrücke für einige Begrifflichkeiten, wie z. B. "Impe" für Margarine oder Streichfett, "ein Moped bauen" für die eigene Herstellung eines Tauchsieders aus vorhandenen Materialien, um damit Tee aufzubrühen oder "letzte Ansage" als Warnung, bevor es richtig fiesen Ärger, ggf. in Verbindung mit einer körperlichen Auseinandersetzung, gibt. Ein weiterer Begriff heißt "Zimmerpflanze", womit dann der jeweilige Zellengenosse gemeint ist - klingt ja auch irgendwie netter als Mithäftling oder Zellengenosse. Jedenfalls hat sich der Begriff "Zimmerpflanze" für die Sekretärin oder den Mitarbeiter, mit dem man sich ein Büro teilt, auch bei mir und meinen Freunden etabliert. Meine derzeitigen Zimmerpflanzen heißen ja Marina und Timo - Steffiiiii ist meine ehemalige Zimmerpflanze, hat aber vor wenigen Tagen einen gesunden kleinen Jungen zur Welt gebracht *freu*. Mutter und Kind sind jedenfalls wohlauf. Marina ist am kommenden Donnerstag, also am 13. Oktober, seit genau drei Jahren meine Zimmerpflanze.
Zimmerpflanzen gibt es ja nun zuhauf, um mal in der Botanik zu bleiben - Kakteen, Efeutute, Alpenveilchen, Usambara-Veilchen, Orchideen, Schnittblumen aller Art für die Vase (Gerbera, Rosen...). Natürlich beschreibe ich auch alle meine Zimmerpflanzen immer als Gewächse - Marina ist eine Mischung aus einem kleinen grünen Kaktus und einer Lotus-Blüte mit Stockholm-Syndrom :o). Timo ist eine große Palme mit Sonnenblumenanteilen - sich einen von der Palme wedeln ist natürlich auch kein Problem, höhö. Thorsten habe ich zu Beginn unserer Freundschaft mal als eine undefinierbare Mischung aus Alpenveilchen, Stechpalme und Cannabis-Pflanze deklariert, hihihi. Bevor Thorsten meine Zimmerpflanze wurde, hatte ich zunächst eine höfliche indische Ayuverda-Palme als Zimmerpflanze, die nach zwei Wochen bzw. insgesamt sechs Monaten Praktikum zurück in ihre Heimat flog. Der Ayuverda-Palme folgte eine fröhliche Sonnenblume von der Uni Essen, der nach vier Wochen zurück an die Hochschule ging und fortan durch meine Lieblings-Mischung aus Alpenveilchen, Stechpalme und Cannabis-Pflanze ersetzt wurde :o). Sowohl Renate als auch meine Eltern fragten sich allerdings, was das für ne Zimmerpflanze sein soll :oD - es fiel ihnen jedenfalls schwer, sich diese ominöse Pflanze vorzustellen.
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