Am Dienstagabend wurde auf Panorama 3 im NDR über das neue "Motivations-Konzept" der Ergo-Versicherungsgruppe berichtet, nachdem der Konzern wegen Lustreisen nach Osteuropa für besonders verdiente Mitarbeiter in die Schlagzeilen geraten war. Das neue Konzept zur Mitarbeitermotivation heißt jetzt "Strukturvertrieb", auch Schneeball-System genannt - reich werden kann davon niemand, auch wenn zukünftige Mitarbeiter anhand von fingierten Zahlen in Gehirnwäsche-Seminaren, die eher an ein Gruppen-Meeting in einer Sekte erinnern, vom Gegenteil überzeugt werden sollen. Vorbildung - unwichtig, nur die Motivation entscheidet und die Fähigkeit, auch seine eigene Mutter an den Teufel zu verkaufen, um Geld zu verdienen.
Die Ergo ist allerdings nicht die einzige große deutsche Versicherungsgesellschaft, die versucht, jungen Menschen angesichts der schlechten Arbeitsmarktlage den Strukturvertrieb schmackhaft zu machen, da gibt's auch noch andere. Ich hatte im Jahr 2000, als mein Studium so gut wie abgeschlossen war (nur das Ergebnis der Diplom-Arbeit stand noch aus), ein Stellengesuch in der WAZ/NRZ geschaltet. Ich bekam eine Antwort von einem großen deutschen Versicherer und sollte zu einem Vorstellungsgespräch nach Düsseldorf kommen - gesagt, getan. Von Strukturvertrieb war da noch nicht die Rede, im Gegenteil. Offenbar war die damalige Assistentin sehr gut in der Formulierung von Briefen, denn mir wurde das Ganze schmackhaft gemacht, indem mir gesagt wurde, dass dort gerne Mitarbeiter mit meiner Qualifikation genommen würden, um die Außendienstler zu schulen, also bin ich nach Düsseldorf gegondelt.
Dass es um Strukturvertrieb und reine Seelenfängerei ging, stellte sich erst im Gespräch heraus - der Mitarbeiter machte mich mit einer jungen, eher unsicheren Dame bekannt, die Lehramt Primarstufe studiert hatte (also artverwandt mit meinem Studiengang), und die jetzt hier ne ganz tolle Position in einer Versicherung habe - den Eindruck hatte ich nicht. Mein monatlicher Verdienst hätte davon abgehangen, wie viele neue Mitarbeiter ich rekrutiere, die dann dasselbe hätten tun müssen wie ich - also Schneeballsystem. Damals war ich noch jünger und auch etwas unsicherer, aber der Typ hat wohl gemerkt, dass mich das Angebot nicht wirklich vom Hocker haut, denn er meinte, ich solle mich weder von meinen Eltern noch von meinem damaligen Freund bequatschen lassen, denn das wäre ein toller Job (wirklich?). Ich hab das Gespräch mit Anstand zuende gebracht, mich verabschiedet und mich nie wieder dort gemeldet - sorry, ich habe nicht studiert, um andere sektenmäßig für etwas wenig Erfolgversprechendes zu rekrutieren. Vor allem hatte ich überhaupt keine Ahnung vom Versicherungswesen, aber das ist dann wohl egal - Hauptsache, die Seelenfängerei und der Profit stimmen. Da ist dem Typen aber wohl ne schöne Provision durch die Lappen gegangen...:o)).
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