Montag, 11. Mai 2015

Ich frage mich gerade, was aus der Stadt Essen mal werden soll...

Interessant ist, dass die Stadt Essen immer mehr Möglichkeiten zur Einsparung zu finden versucht - die eventuelle Schließung des Grugabades, in den letzten 15 Jahren immer mehr Schließungen von Schwimmbädern (Nöggerathbad, Kuhlhoffbad, Oase und last but not least das Gildehof-Bad), auch bei den städtischen Friedhöfen soll gespart werden, aber komischerweise ist ja bei allen Sparzwängen immer noch genug Geld dafür da, eine sündteure Unternehmensberatung zu beschäftigen - im konkreten Fall Rödl & Partner - und um sich trotz eines entsprechenden Jahresgehalts von 50.000 bis 105.000 EUR bei den Stadtvätern noch die Dienstwagen mit allem Tam-Tam finanzieren zu lassen. Jeder Arbeitnehmer, auch die, die noch nicht einmal 50.000 EUR p. a. verdienen, müssen für die Kosten eines Kfz (Anschaffung, Wartung und Pflege, Sprit, Versicherung, Steuern) auch alleine aufkommen und können sich an niemanden wenden, der ihnen diese Kosten großzügig bezahlt.

Vor allem kann die ganze Rechnung ohnehin nicht stimmen: Die Stadt kann nicht einerseits stöhnen, dass sie keine Kohle hat und deshalb an allen Ecken und Enden gespart werden muss (natürlich als Erstes beim Bürger!), aber gleichzeitig eine sündteure Unternehmensberatung beschäftigen. Das wäre genauso, als wenn ich über Geldknappheit klage und nächste Woche steht ein niegelnagelneuer 3er BMW vor meiner Tür. Da würde sich wohl auch jeder sagen, dass da irgendwas nicht zusammenpasst an den Aussagen.

Dass sich der Sparzwang der Stadt jetzt auch auf die EVAG und somit auf den öffentlichen Personennahverkehr in der Stadt Essen auswirken soll, ist ebenfalls der blanke Hohn. Abgesehen davon, dass Essen als zweitgrößte Stadt des Ruhrgebiets die dritthöchste Arbeitslosenquote im Revier hat (aktuell bei 12,3 %) und diese bei Entlassung von Bus- und Bahnfahrern mit ohnehin nur befristeten Arbeitsverträgen noch mehr steigen würde, gibt es zudem eine Reihe von Menschen, die sich kein eigenes Kfz leisten können oder wollen, sich das Autofahren aus gesundheitlichen Gründen nicht (mehr) zutrauen und deshalb auf Bus und Bahn angewiesen sind. Wenn der ÖPNV hier in der Stadt jedoch immer mehr abgespeckt wird, wird es für diese Menschen entsprechend schwieriger, von A nach B zu kommen. Vieles geht einfach an der Bürgernähe vorbei - wenn ich natürlich jeden Tag in meine dicke Bonzenkarre pupsen kann, dann kann es mir auch egal sein, wie beispielsweise Senioren zum Arzt oder zum Einkaufen kommen.

Ich lebe seit 41 Jahren in dieser Stadt und habe ja aus dem Grunde hautnah mitverfolgen können, wie immer mehr Einrichtungen auf Kosten der Bürger eingespart wurden - egal, ob es Bus- oder Straßenbahnlinien waren oder auch Schwimmbäder. Im Essener Norden, also in den Stadtteilen, die nördlich des A40-Äquators liegen wie Borbeck, Altenessen, Frohnhausen, Altendorf, Katernberg, Schonnebeck und Stoppenberg, gibt es außer Hesse in Dellwig kein einziges Freibad mehr, sodass Menschen aus diesen Stadtteilen entweder in den Essener Süden fahren müssen (mal schauen, wie die Geschichte mit dem Grugabad weitergeht...) oder gezwungen sind, in die Nachbarstädte Oberhausen, Gelsenkirchen oder Bottrop auszuweichen.

Hesse wurde zwar 2014 in abgespeckter Form wiedereröffnet, aber auch an diesem Freibad wird schon seit langer Zeit kräftig gespart. Der Sprungturm mit Sechs- und Zehn-Meter-Brett steht seit Jahren nur noch als Denkmal auf dem Gelände, das dazugehörige Springerbecken wurde schon vor vielen Jahren zugemauert - gleichzeitig nörgeln Stadtväter und DLRG aber rum, dass die Jugendlichen in Ermangelung des Sprungturms mit Becken von den Kanalbrücken in Dellwig, Altenessen oder Oberhausen-Borbeck in die Schifffahrtsrinne hüpfen. Solange der Sprungturm mit dazugehörigem Becken geöffnet war, gab es diese Probleme mit Jugendlichen, die von den Brücken in den Rhein-Herne-Kanal springen, jedenfalls nicht.

Die größte Lachnummer neben der Schließung weiterer Bäder in den nördlichen Stadtteilen (Oase in Frohnhausen, Nöggerathbad in Altendorf, Kuhlhoffbad in Altenessen) war jedoch das Millionengrab Gildehof-Bad unweit des Essener Hauptbahnhofs. Das sündteure Bad war nur wenige Jahre in Betrieb - heute befindet sich schon seit vielen Jahren an gleicher Stelle eine Filiale von Toys R Us und ein Teil der Essener Stadtbücherei. Warum erst Millionen für ein Spaßbad in der Innenstadt verschleudert wurden, um es nach wenigen Jahren wieder zu schließen, bleibt wohl auch ein Geheimnis der Stadtoberen - die mussten für die Kosten von Errichtung, Instandhaltung und Abriss bzw. Umgestaltung ja auch nicht aus eigener Tasche aufkommen. Ich glaube, manche Fehlplanung sähe ganz anders aus, wenn Politiker mit ihrem Privatvermögen für den Schwachsinn aufkommen müssten, den sie teilweise verzapfen, aber solange nur der Steuerzahler für solche Fehlinvestitionen gerade stehen muss, prassen die hohen Damen und Herren munter weiter.

Essen ist zwar der Sitz einiger Großkonzerne, was aber im Umkehrschluss nicht bedeutet, dass sich das positiv auf die Arbeitslosenzahlen in der Stadt auswirken würde, zumal viele Großkonzerne vermehrt Zeitarbeitspersonal beschäftigen, das man leichter wieder los werden kann als Festangestellte. Manche der Konzerne suchen zwar angeblich ständig nach Leiharbeitern, am besten für vorgestern, melden sich dann aber nie wieder beim Personaldienstleister, den sie ursprünglich mal beauftragt hatten. Manche halten ja auch Bewerberdatenbanken vor, aber leider mutieren die Kandidaten dort ganz schnell zur Karteileiche, weil die Homepage mehr verspricht als das Unternehmen hält, haha.

Ebenso traurig ist nicht nur die Tatsache, dass Menschen immer mehr in prekäre Beschäftigungsverhältnisse - vielfach über Zeitarbeit - gedrängt werden sollen, sondern dass in Essen eigentlich kaum Arbeitsplätze für gut qualifizierte Kräfte zur Verfügung stehen. Die Call Center sind zwar hier in der Stadt wie Pilze aus dem Boden geschossen, aber das macht die Branche und auch die Tätigkeit an sich nicht besser. Mit guter Wirtschaftsförderung hat es jedenfalls nix zu tun, wenn 99 % der Stellen nur noch befristet und/oder über Zeitarbeit vergeben werden, die Leute in Call Centern fragwürdiges Zeug in den Hörer brabbeln sollen und wenn die Helferstellen, die ja angeblich immer mehr wegfallen sollen, mehr gefördert werden als feste, qualitativ gute Beschäftigungsverhältnisse.

Essen baut auch immer mehr Neubausiedlungen, teilweise auch im Hochpreissegment. Dann sollen mir die Stadtplaner bitte nur noch verraten, wie ein Arbeitsloser eine sündteure Penthouse-Wohnung in Bredeney bezahlen soll - und selbst die Neubauwohnungen im Dachsfeld in Dellwig (Allbau) sind nicht so preisgünstig, als dass sich jeder die leisten könnte. Mit diesem provinziellen Kirchturmdenken an der Realität vorbei lockt die Stadt jedenfalls keine kaufkräftige Klientel an, die bis zu 20 EUR/m² ausgeben könnte - und da viele Arbeitgeber sich ja kategorisch weigern, ihre Angestellten angemessen zu entlohnen, können sich auch viele einheimische Arbeitnehmer keine sündteure Wohnung mit solchen Quadratmeterpreisen leisten.

Generell werden Teile Essens immer mehr dem Verfall preis gegeben, auch in sozialer Hinsicht - Dellwig war einst rundum ein lebenswerter schöner Stadtteil im mittleren Preissegment, aber mittlerweile sind viele alteingesessene Dellwiger aus den Straßen rund um die Haus-Horl-Straße weggezogen (z. B. Pferdebrink, An der Lanterbeck, Gleisstraße), weil sich das Publikum dort nicht gerade zum Guten gewandelt hat. Ähnliche Fehlentwicklungen lassen sich aber auch in anderen Stadtteilen beobachten - Altendorf war vor vielen, vielen Jahren eine Top-Wohngegend, wird aber mittlerweile in weiten Teilen als sozialer Brennpunkt angesehen. Die Stadt Essen schafft es seit gut 20 Jahren problemlos, direkt neben einem Pracht-Boulevard die Bronx existieren zu lassen und das gilt leider für viele Stadtviertel.

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