Am Abend des 31. Oktober schminken und kostümieren sich die Männergärtnerinnen und ihre großen männlichen Schützlinge, damit sie anschließend in Borbeck um "Süßes oder Saures" betteln können. Der Charmin Bear wird als Clown Pennywise ausstaffiert, zusätzlich bindet Alex ihm noch einen roten Luftballon an die Schnürsenkel seines rechten, ebenfalls roten Turnschuhs. Dem Charmin Bear behagt die Kostümierung zwar gar nicht, aber im Gegensatz zu ihm waren die Männergärtnerinnen ganz begeistert davon, sodass er nicht als Spielverderber gelten möchte.
Thomas bekommt eine schwarze Kutte angezogen und die Maske des Killers aus "Scream" verpasst, während der Stationsarzt sich einen mit Kunstblut besudelten Arztkittel anzieht. Renate und Alex schminken sein Gesicht zunächst totenbleich, bevor sie das Ganze zusätzlich noch mit weiteren Blutspritzern garnieren. Gleichzeitig führt er ein blutbesudeltes Schlachtermesser mit.
Stinki wird als eine Mischung aus Vampir und Fledermaus verkleidet bzw. auch so zurecht geschminkt, während ES als die Puppe aus "Saw" kostümiert bzw. geschminkt wird. Natürlich bekommt ES auch ein Dreirad dazu, das ES an einem elasthischen Stab, der am Sitz befestigt ist, mit einer kleinen Tricolore versieht. Thorsten mimt Chuckys Braut, wobei sein Bräutigam - Alex in Gestalt als Chucky die Mörderpuppe - ihn stilecht als Frau zurecht macht. Ihr gemeinsamer Kollege Christoph war so nett und hat ihm sogar Silikonbrüste gebastelt, damit er noch weiblicher aussieht. Thorsten und Alex finden diesen Rollentausch jedenfalls lustig, genau wie Renate, die sich als Hexe verkleidet hat. Steffi trägt einen Herrenanzug und eine Chauffeursmütze, denn sie will den grinsenden Leichwagenfahrer aus dem Film "Burnt Offerings" imitieren.
Um nach 19 Uhr ist die Sonne bereits untergegangen, aber der westliche Horizont schimmert immer noch in einem kräftigen Rosa. Der Halbmond am Himmel erinnert eher an einen Totenkopf mit leichten Deformationen, seine Farbe entspricht der von blank polierten Knochen. Dem Charmin Bear behagt es überhaupt nicht, als er sich gemeinsam mit seinen Männergärtnerinnen und seinen männlichen Mitkindern unter dem Totenkopfmond auf den Weg zur nicht weit entfernten Straßenbahnhaltestelle Schloss Borbeck macht. ES tritt fröhlich in die Pedale seines Dreirades.
Die 103 Richtung Borbeck-Mitte/Dellwig trifft fünf Minuten später ein, um die Gruppe zur nächsten Haltestelle Bahnhof Borbeck zu bringen. Einige Jugendliche in der Bahn finden die kostümierten Erwachsenen lustig, während sich mehrere Senioren kopfschüttelnd echauffieren, insbesondere darüber, dass der Charmin Bear nicht auf den roten Ballon an seinem Schuh geachtet hat. Die Schnur ist nämlich in der Tür stecken geblieben, sodass der blutrote Ballon außen aus dem Türspalt zu sehen ist. Die Senioren sind jedenfalls froh, als die illustre Truppe die Straßenbahn an der nächsten Haltestelle wieder verlässt.
Von der Marktstraße aus geht es zu Fuß weiter in den Weidkamp, der zunächst in einer Fußgängerzone liegt und nach etwa 30 m in Höhe der Treppe, die hinauf zum alten Markt führt, zu einer befahrbaren Straße wird. Dennoch ist der Weidkamp auch auf dem Teilstück dicht besiedelt, sodass die Truppe anfängt, bei Anwohnern zu klingeln und um "Süßes oder Saures" zu betteln. ES findet es besonders witzig, belustigte oder erschrockene Hausbewohner mit den Worten anzusprechen: "Je veux jouer un jeu avec toi!" ("Ich möchte ein Spiel mit dir spielen!")
Nachdem der Weidkamp bis zur Liegendkrankenanfahrt auf der Rückseite des Philippusstifts süßigkeitentechnisch abgegrast ist, beschließen die Männergärtnerinnen, die in der Nähe gelegene Treppe zu benutzen, die zu einem Weg hinaufführt, der den Weidkamp mit der Hülsmannstraße verbindet - allerdings verläuft der Weg genau zwischen Krankenhaus und katholischem Friedhof St. Dionysius. Dem Charmin Bear behagt die Nähe zum Friedhof und zum Krankenhaus gar nicht, genauso wenig wie der Totenkopfmond, der direkt über dem Kreuz des Borbecker Doms steht. Eine leichte Brise kommt auf, im Westen zeigen sich erste Wolken, die den Mond aber nicht verdecken. Da am nächsten Tag Allerheiligen ist, stehen auf den Gräbern des Friedhofs bereits jede Menge brennende Öllampen und brennende Grabkerzen, die den Friedhof in ein warmes Licht tauchen - im Gegensatz zum kalten Licht des Halbmondes am Himmel. Das letzte Rot am Horizont ist der Dunkelheit gewichen.
Friedhof St. Dionysius vom Philippusstift aus aufgenommen - (c) Alexandra Döll, Essen
Der Friedhof St. Dionysius ist noch nicht einmal besonders groß, im Gegensatz zu manch anderem bekannten Essener Friedhof, z. B. der Friedhof am Hallo in Stoppenberg/Schonnebeck, der Nordfriedhof in Altenessen, der Parkfriedhof in Huttrop, der Südwestfriedhof in Fulerum/Margarethenhöhe oder der Terrassenfriedhof in Schönebeck, aber schon alleine die Nähe zum Friedhof lässt einigen Herrschaften das Blut in den Adern gefrieren. Ein vergnügt krächzender Rabe hockt auf der Friedhofsmauer. Renate kichert hexenhaft, genau wie Alex, die ihre Braut Thorsten an der Hand hat.
Der Charmin Bear und Thomas seufzen erleichtert, als sie endlich die Hülsmannstraße erblicken, auf der gerade eine 103 Richtung Stadtmitte am Philippusstift angehalten hat, um Fahrgäste ein- und aussteigen zu lassen. Die Erleichterung weicht jedoch augenblicklich dem Entsetzen, als ein anderer Pennywise um die Ecke der Friedhofsmauer lünkert und ruft: "Kuckuck!" Der Charmin Bear gibt einen Schreckenslaut von sich. Seine Angst steigert sich, als Pennywise sich in voller Größe vor ihnen aufbaut und grölt: "I am the God of hell fire!" Stinki behagt der Clown zwar auch nicht, zumal er befürchtet, dass es sich um den echten Pennywise handeln könnte, aber trotzdem ranzt er ihn an: "Wat is'n mit Ihnen eigentlich los?!" ES flüstert leise: "Je veux jouer un jeu avec toi!", dabei kippt er fast vom Dreirad. Pennywise grinst nur hinterhältig.
Pennywise bedeutet den Männergärtnerinnen und ihren Schützlingen, ihm zu folgen. Thomas ist erleichtert, als er mit den anderen um die Ecke biegt Richtung Eingang zum Friedhof und als er dort Alex' ebenfalls verkleidete Stofftiere rumhüpfen sieht. Sammy freut sich zwar, ihre Mama zu sehen, ist aber enttäuscht, dass es jetzt auf der Hülsmannstraße Konkurrenz um etwaige Süßigkeiten gibt. Ecki hingegen bewundert einen Leichenwagen, den er in seiner Werkstatt an der Alten Landstraße in Karnap umgerüstet hat, mag aber den dazugehörigen grinsenden Leichenwagenfahrer nicht, der neben dem Leichenwagen steht. Der Halbmond blickt wie ein einäugiger Toter auf Borbeck herab.
Sowohl die Stoffies als auch die Menschen folgen Pennywise wie paralysiert auf den erleuchteten Friedhof. Der Charmin Bear macht sich Sorgen, dass sein optischer Zwillingsbruder beißen könnte. Der grinsende Leichenwagenfahrer folgt ihnen auf den Friedhof und hört noch nicht mal auf zu grinsen, als ES ihm versehentlich mit seinem Dreirad über den Fuß fährt. Sammy stürmt sofort auf das Grab ihrer 1993 verstorbenen Lieblingsschwester Edeltraud zu, die auf dem Friedhof St. Dionysius begraben ist - wenn sie schon mal da ist, kann sie auch direkt frische Blumen auf Edeltrauds Grab hinterlassen und zwei Grablampen anzünden.
Stinki wird von einigen Fledermäusen umflattert, die ihn um seinen Bart beneiden. Er ranzt: "Wat is'n mit Euch eigentlich los?!", verstummt aber zunächst, als ES ihm mit seinem Dreirad in die Hacken fährt. Nach wenigen Sekunden fragt Stinki ES, wat denn mit ES eigentlich los ist. Allerdings wird ihm übel, als er sieht, wie Pennywise eine Fledermaus mit der Hand aus der Luft fängt und herzhaft in diese reinbeißt. Blut tropft auf den Weg. ES fängt an zu plärren, während Steffi das betretene Gesicht macht und Pennywise sagt, dass sie sein Verhalten nicht toll findet. Pennywise stört Steffis Kritik an seinen Tischmanieren aber nicht, stattdessen fängt er die nächste, zum Verzehr bestimmte Fledermaus. Ein roter Ballon steigt hinauf ins kalte Mondlicht.
Der Charmin Bear ist zunehmend verstört und blickt zum Philippusstift hinüber. Eigentlich müsste die Kapelle, deren Fenster zum Friedhof hinaus liegen, um diese Zeit dunkel sein, aber auch in der Krankenhauskapelle scheinen einige Kerzen zu brennen, denn hinter den Mosaikfenstern zeigt sich im schwachen Kerzenschein ein gruseliger Schatten, der langsam umher schlurft. Thomas dreht nervöse Pirouetten, als er die Gestalt hinter den Fenstern der Kapelle ebenfalls wahrnimmt. Der Charmin Bear will gerade stiften gehen - Halloween-Ausflug und Süßigkeiten hin oder her - als ihm jemand von hinten auf die Schulter tippt. Vor ihm steht ein etwa 60-jähriger Mann in einem dunklen Anzug. Seine Augen blicken mit entsetzlicher, starrer Konzentration ins Leere, sein Gesicht ist fahl und im wahrsten Sinne des Wortes leichenblass. Der Mann hält dem Charmin Bear einen Bauplan mit dem IKEA-Logo hin und fragt mit undeutlicher, röchelnder Stimme: "Entschuldigung, könnten Sie mir bitte helfen, das Ding hier zusammenzubauen?"
Die Knochen des Charmin Bears verwandeln sich augenblicklich in weißes Eis, als er bemerkt, dass der Mann ihn um Hilfe beim Zusammenbau eines Sargs bittet und er offenbar wirklich mit einem Toten spricht. Er schreit laut los, dann rennt er wie von der Tarantel gestochen hinaus auf die Hülsmannstraße Richtung Philippusstift. Die anderen drehen sich erschrocken um, bekommen aber selbst einen Schreikrampf, als ein Mann, der seinen Kopf unterm Arm trägt, sie anspricht und fragt, ob jemand mal bitte seinen Kopf halten könne, damit er sich die Schuhe zubinden könne.
Auch die Stoffies, die Männergärtnerinnen und ihre Schützlinge hält es nicht länger auf dem Friedhof. Nachdem sie sich aus ihrer Schockstarre gelöst haben, rennen sie so schnell sie können runter vom Friedhof die Hülsmannstraße hinauf zum Germaniaplatz, um mit der nächsten 103 wieder Richtung Männergarten bzw. nach Hause Richtung Dellwig zu fahren. Während die Stofftiere und die Menschen versuchen, wieder zu Atem zu kommen und ihre Contenance wiederzugewinnen, setzen sich der grinsende Leichenwagenfahrer, Clown Pennywise, die Leiche mit dem immer noch nicht zusammengebauten Sarg und der Tote mit dem Kopf unterm Arm in den Schatten des Kreuzes mitten auf dem Friedhof und beginnen dort, gelassen Karten zu spielen. Endlich haben sie den Friedhof wieder für sich :o).
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