Die WAZ titelte heute auf der Titelseite "Forscher warnen: Dem Revier gehen die Arbeitskräfte aus.". Der Artikel stützt sich im Wesentlichen hierbei auf eine Studie der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PwC.
Die Feststellungen von PwC sind grundsätzlich erst mal nicht verkehrt, zumindest, was den Aspekt betrifft, dass Fachkräfte gerne in andere Regionen wie den Rhein-Neckar-Raum, Hamburg, Stuttgart oder München abwandern. Wen wundert's? Bei den ganzen Arbeitslosen im Revier sind sicherlich nicht nur ungelernte Hiwis dabei, sondern auch viele Fachkräfte unterschiedlicher Bereiche, wie ich z. B., aber wie mit denen dann umgegangen wird, dazu schweigt die Studie lieber, sodass es ja auch nicht weiter verwundert, dass Fachkräfte - egal, ob mit abgeschlossenem Studium oder abgeschlossener Ausbildung - ihr Glück lieber außerhalb des Reviers suchen.
Ich wiederhole mich nur ungern, aber ich kann in der Wirtschaft nicht über vermeintlichen Fachkräftemangel klagen und mit denen, die da sind, dann umgehen wie mit lästigen, unwürdigen Bittstellern. Das, was manche Unternehmen von ihren Bewerbern und potentiellen Mitarbeitern halten, sieht man schon daran, wie vielfach mit Bewerbern aller Art umgegangen wird: Keine Antwort auf Bewerbungen bzw. Antwort erst nach mehrmaligem Nachfassen, die Rücksendung von Unterlagen eines anderen Bewerbers, unfreundliche Absagen oder Absagen im Stile von "Wir sind durchaus von Ihnen und Ihren Qualifikationen überzeugt, aber einstellen können wir Sie trotzdem nicht." Dass da irgendwann die Motivation schwindet, sich noch mehr in dem Stil von Absagen im Ruhrgebiet einzufangen, dürfte einleuchten; deshalb sehen sich viele Arbeitskräfte dann doch lieber in anderen Regionen Deutschlands um. Selbst ich schließe für mich nicht mehr aus, dass ich dem Ruhrgebiet den Rücken kehre. Zeitarbeit oder prekäre Beschäftigungsverhältnisse sind auf Dauer keine Lösung, für keinen Arbeitnehmer.
Bewerber können es wohl ohnehin nur verkehrt machen: Sind sie länger als fünf, zehn oder sogar zwanzig Jahre bei ein und derselben Firma gewesen, werden sie abgelehnt, weil sie angeblich geistig unflexibel sind und nix Neues mehr dazu lernen können - hat jemand, um Arbeitslosigkeit zu vermeiden oder zumindest hinauszuzögern, mehrere kürzere Arbeitsverhältnisse gehabt, ist der ein unzuverlässiger Job-Hopper, auch wenn diese begrenzte Denkweise nur auf einen Teil der Bewerber zutrifft.
Erst gestern wurde ich von einem Essener Zeitarbeitsunternehmen angefragt für eine zweiwöchige Urlaubsvertretung im Rheinland. Die Konditionen sind ja okay, aber was ist nach den zwei Wochen? Ich möchte irgendwann beruflich einmal ankommen und mich nicht von einem Zeitarbeitsverhältnis zum nächsten hangeln. Ich lasse mich beim Entleiher zwar vorschlagen, aber die Zukunft und ob es überhaupt was wird, ist ungewiss.
Gleichzeitig habe ich auch während meines Erwerbslebens festgestellt, dass manche gar keine gut qualifizierten, breit gefächerten Arbeitskräfte wollen, sondern eher tumbe Befehlsempfänger, die gerne nach Anweisung arbeiten. Vor fünf Jahren konnte ich mich mal von einem sog. Personalberater in Frohnhausen anranzen lassen, dass niemand so einen Generalisten wie mich braucht (danke, diese Beratungsfirma hatte sich danach für mich erledigt - da hab ich auch nie wieder was von gehört) und letztes Jahr wollte eine Firma aus Dortmund mich nicht über eine Zeitarbeitsfirma nehmen, weil sie meinen Namen gegoogelt haben (sonst nix zu tun?) und ich ihnen doch zu kreativ wäre. Sorry, bei solch geistig vernagelten Menschen bin ich froh, wenn ich nicht für sie tätig werden muss, genauso wenig wie für Läden, bei denen ich irgendwann am Boreout-Syndrom wegsterbe, denn das gibt's ja auch, dass Menschen sich wegen steter geistiger Unterforderung trotz angemessener Bezahlung in ihrem jeweiligen Job zu Tode langweilen. Eine frühere Kundin von mir aus Düsseldorf hat in ihrem damaligen Job sicherlich exorbitant gut verdient, hat mir aber auch gleichzeitig gesagt, dass sie sich trotz des guten Gehalts zu Tode gelangweilt hat. Nun verdient sie zwar weniger, aber immer noch gut genug, um gut davon leben zu können, und ist endlich auch mit der Arbeit zufrieden, weil sie sich dort nicht mehr zu Tode langweilt. Geld ist also nicht alles - aber von seinem Gehalt sollte man bei einer Vollzeitstelle schon leben können, ohne noch zusätzlich Hartz IV dazu beantragen zu müssen.
Gleichzeitig hat PwC festgestellt, dass das Revier sich mit Existenzgründern extrem schwer tut. Ja, das ist mir auch schon aufgefallen - vielfach steht bei solchen Gesprächen eher das im Mittelpunkt, was nicht geht. Ne zielführende Beratung sieht anders aus, denn da sollte ich dem Ratsuchenden ja Alternativen und Möglichkeiten aufzeigen, die möglich sind, deshalb heißt es ja auch Beratung.
PwC hat die Grundproblematik in ihrer Studie sicherlich richtig erkannt, aber das nützt nix, wenn Realität und Anspruch weit auseinander klaffen bzw. die Wirtschaft im Ruhrgebiet sich ausdauernd weigert, etwas dazu zu lernen und jeden Bewerber als potentiellen Feind ansieht, der erst mal online bespitzelt und am besten herabgewürdigt werden muss bzw. in vielen Fällen den Unternehmen noch nicht mal eine Antwort wert ist.
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