Mittwoch, 17. September 2014

Technik und Gesetze, die entgeistern...

Soeben wollte ich eine Petition unter change.org unterzeichnen, bei der es um das Anti-Stalking-Gesetz bzw. eine von Stalking betroffene junge Dame geht, aber da Google und die Technik ja total demokratisch sind, möchte man mir statt der Möglichkeit, selbige zu unterzeichnen, lieber einen neuen Browser aufzwängen. Ich versuche es mit dem Unterzeichnen dann nachher noch mal mit meinem Smartphone, da der Rechner hier ja ein merkwürdiges Eigenleben hat und Google mir ständig einen neuen Browser aufzwängen will...

Ich weiß zwar, dass es dieses Anti-Stalking-Gesetz gibt, aber leider geht es vielen Opfern trotz des Gesetzes so, dass Polizei und Justiz sie angeblich nicht schützen können. Da fragt man sich dann nur, warum es dann ein Anti-Stalking-Gesetz gibt, wenn die Opfer eh keine Hilfe erfahren oder manche Helfer - egal, ob Sozialpädagogen/-arbeiter, Polizisten, Rechts- und Staatsanwälte - eher vor dem Stalker den Schwanz einziehen. Vor dem Hintergrund finde ich die Maßnahmen, die die junge Frau ergriffen hat, sehr mutig, auch wenn das Stalking immer noch nicht ganz aufgehört hat - es gibt Dinge, da muss man/frau mit an die Öffentlichkeit gehen, auch wenn das manchen nicht passt und am wenigsten Stalkern und anderen verstrahlten Subjekten, die ihr schändliches Treiben natürlich am liebsten im Verborgenen fortsetzen in der Hoffnung, dass das Opfer sich zu sehr schämt, um sich jemandem anzuvertrauen. Öffentlichkeit und Mitwissen von Dritten haben Charakterschweine nämlich nicht so gerne.

Ich war zwar bis dato noch nicht von Stalking betroffen und ich hoffe auch, dass das so bleibt (bei manchen Psychos kann man ja nie wissen, denn entgegen der landläufigen Meinung mancher Menschen mit beschränktem Weltbild hat das Opfer solche Attacken meist nie provoziert - oft reichte da schon ein kurzer Blickkontakt in der Straßenbahn), aber wie sich Betroffene fühlen, kann ich schon ganz gut nachvollziehen. Als ich 15 war, hatte ich auch mal einen aufdringlichen Verehrer im E-Wagen der 105 an der Backe - ich war damals wie gesagt ein Teenager und er bestimmt 45 oder 50, aber ich hatte den "Fehler" gemacht, öfter mal in der Straßenbahn neben ihm zu stehen. Hinterher fing er regelrecht an, mit mir Katz und Maus zu spielen, obwohl ich später schon die 105 genommen habe, die nur zwei Minuten später kam als besagter E-Wagen oder sogar die 104, die drei Minuten nach der 105 eintraf. Da hab ich natürlich auch Angst bekommen, weil ich ja gar nicht wusste, was der Typ vorhatte und wie weit er gehen würde. Ich hab irgendwann meiner Schulfreundin Cola davon erzählt, die sofort sagte, ich sollte mit meinen Eltern reden, zumal ich auch nicht der Typ war, der sich ständig von allen angeglotzt, angemacht oder belästigt fühlt. Das habe ich auch am gleichen Abend getan.

Mein Vater ist am nächsten Montag, nachdem er von der Nachtschicht gekommen war, mit mir zur Haltestelle Heißener Straße gelaufen, wo ich ja jeden Morgen eingestiegen bin, um zur Schule zu fahren, aber an dem Tag war der Typ, den wir nur noch "Der Gaffer" genannt haben, leider nicht in der Bahn - offenbar hatte er in der Woche Urlaub. Eine Woche später ist meine Mom mit mir zur Haltestelle gegangen und siehe da: Da war er tatsächlich wieder im E-Wagen. Als er mich sah, strahlte er zunächst, doch sein Lächeln erstarb jäh, als er sah, dass die Frau neben mir offenbar zu mir gehörte und ich ihr dann auch ganz deutlich gezeigt habe, dass ich ihn meine - da wurde er nämlich verlegen und wusste gar nicht mehr, wo er hingucken sollte. Wenn er ein blütenreines Gewissen gehabt hätte, hätten ihn die Blicke meiner Mom wohl kaum irritiert oder verunsichert, dann hätte er sich wohl eher gefragt, was der Blödsinn jetzt soll. Danach hatte ich jedenfalls Ruhe, zumal der Gaffer ja ab dem Zeitpunkt wusste, dass auch andere von ihm wissen und ich das nicht stillschweigend mit mir rumtrage und stumm erdulde.

Das Glotzen hat zwar auch nicht ganz aufgehört, aber ich war so klug und habe nie wieder den E-Wagen genommen, um ihm zu zeigen, dass ich nix von ihm wissen will - stattdessen habe ich dann lieber auf die 105 gewartet und bin mit der bis zur Bockmühle gefahren, um dort in den 160 oder 161 Richtung Holsterhausen umzusteigen. Er hat, seit meine Mom mit mir an der Haltestelle war, auch nie wieder die Bahn gewechselt, um mit mir in der gleichen Straßenbahn zu sein - richtig Angst hatte ich nämlich erst bekommen, als ich einmal ganz bewusst den E-Wagen sausen ließ und mich in der Einfahrt der damaligen Bäckerei Schlechter auf der Ecke Heißener Straße/Frintroper Straße versteckt habe. Ich konnte von meinem Versteck aus richtig sehen, wie er nach mir Ausschau hielt - ich hab dann die 105 drei Minuten später genommen, aber an der nächsten Haltestelle Fliegenbusch ist er dann plötzlich in die 105 gestiegen, d. h. er hatte also den E-Wagen vorzeitig verlassen, denn normalerweise ist er immer erst am Bahnhof Borbeck-Süd ausgestiegen, vermutlich, um den Regionalzug (heute S9) zu nehmen.

Das Ganze hatte sich zwischen Herbst 1989 und Winter 1990 abgespielt, aber die Gafferei, wenn er mich irgendwo sah, konnte er auch Monate und Jahre später noch nicht sein lassen. Im April 1990 saß ich auf den Stufen der damaligen Fahrschule Mauelshagen auf der Ecke Borbecker Straße/Frintroper Straße an der Haltestelle Heißener Straße und wartete auf die 105 Richtung Frintrop, um meine Freundin Sonny aus Kupferdreh, die an dem Wochenende bei mir übernachten wollte, von dort abzuholen. Die 105 stand noch unten am Fliegenbusch, aber in der Zwischenzeit fuhr der 186 Richtung Bottrop an mir vorbei, um nach links auf die Heißener Straße abzubiegen. Ich fühlte mich plötzlich so angeglotzt - tja, als ich in den Bus schaute, saß dort unser lieber Gaffer und glotzte mich mal wieder mit einem etwas unsicheren, aber doch niederträchtigem Grinsen an. Ich hab's wohlwollend ignoriert und Sonny, die nur zwei Minuten später mit der 105 eintraf, davon erzählt - und meinen Eltern natürlich auch.

Im Sommer 1994 war ich mit meinem damaligen Freund in seinem Auto unterwegs Richtung Tankstelle und wir standen an der roten Ampel Herbrüggenstraße/Heißener Straße. Der 186 Richtung Bottrop kam die Heißener Straße hinunter und musste mitten auf der Kreuzung stehen bleiben, weil ein entgegen kommendes Auto zu weit in die Kreuzung gefahren war und der Bus somit nicht vorbei gekommen wäre. Selbst, als der Gaffer sah, dass ich im Auto sitze und neben mir auch noch nette männliche Begleitung hatte, konnte er das Gaffen nicht sein lassen - auch wenn er sichtlich enttäuscht war, dass ich neben einem jungen Mann im Auto sitze. Da war das Ganze immerhin schon über vier Jahre her, aber Krankheit im Kopf wird ja nicht mit der Zeit besser. Das war auch das letzte Mal, dass ich den Gaffer überhaupt gesehen habe - und das ist auch gut so, wobei ich heute ohnehin anders reagieren würde als damals als 15-jährige. Heute würde ich wahrscheinlich offensiv auf ihn zugehen und ihn mal ganz blöd fragen, ob er ein Passbild von mir will oder welches Problem er sonst hat.

Auf jeden Fall tat es gut, dass ich das alles nicht stillschweigend hingenommen habe, sondern dass es Menschen gab, die mich ernst genommen haben und dem Typen gezeigt haben, dass auch andere von ihm wissen.

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