Heute Morgen postete der WDR einen Beitrag, in dem eine Uniprofessorin beklagte, dass viele Studis heute total karriereorientiert und angepasst sind. Das ist nicht nur jener Professorin aufgefallen, sondern auch schon vielen anderen vor ihr - ich hatte dazu mal einen Artikel unter Suite101.de veröffentlicht mit dem Titel "Anpassung statt Individualität".
Der Konformitätszwang, der den Menschen mehr oder weniger unterschwellig von den Medien und auch manchen Entscheidungsträgern aus Politik, Wirtschaft und gesellschaftlichem Leben aufdiktiert wird, ist sicherlich ein Grund dafür, dass viele Studis sich schon dem Mainstream anpassen, bevor sie überhaupt aktiv ins Berufsleben eingestiegen sind. Leider gibt es auch eine Vielzahl von Unternehmen, bei denen gerade junge Mitarbeiter schnell herausfinden, dass sie es dort zu etwas bringen können, wenn sie möglichst stromlinienförmig aussehen und sich dabei auch noch benehmen wie das letzte A....loch.
Ich habe zwischen 1996 und 2000 an zwei Ruhrgebiets-Unis studiert - und da gab es die individuelle Vielfalt noch, sodass man vielfach schon am Äußeren eines Studis sehen konnte, was er studiert, ohne mit ihm gesprochen zu haben. Die angehenden BWLer taten sich meist durch arrogantes Benehmen in Anzug und Krawatte hervor, während beispielsweise die ganzen Pädagogen (Erziehungswissenschaften, Lehramt, Sozialpädagogik, Sozialarbeit) oft recht flippig bis ökomäßig daher kamen. Heute würde die Zuordnung zu einem Studiengang aufgrund des Stylings nicht mehr so leicht fallen, denn selbst die "verrückten" Studiengänge kommen heute schon vielfach so mainstream und austauschbar daher, dass einem glatt schlecht werden kann angesichts soviel Massenkonformität.
Ende 1997 sind gerade die Studis aus den Geistes- und Gesellschaftswissenschaften der Uni Essen noch auf die Straße gegangen, um gegen Bildungs- und Sozialabbau in der BRD zu protestieren. Wir haben damals an einem trüben Dezembermorgen den Berliner Platz für ein paar Minuten abgesperrt und Autofahrer über unsere Demo-Gründe informiert, bis die Polizei uns aufgefordert hat, den Berliner Platz freizugeben, da es sonst vorläufige Festnahmen gegeben hätte. Immerhin war die Polizei aber so nett und hat unseren Protestmarsch über Friedrich-Ebert-Straße, Viehofer Platz, Schützenbahn, Rathaus-Galerie (damals noch City Center) und Kennedyplatz begleitet. Eigentlich war die Demo noch nicht mal angemeldet, aber irgendein Maulwurf hat uns, was in dem Fall mehrere hundert Studis hieß, dann doch verpfiffen - Denunzianten gab es leider immer schon, genau wie den Mainstream, der nicht mal in der Lage ist, von zwölf bis Mittag zu denken und die alles glauben, was ihnen sog. Entscheidungsträger und Meinungsmacher einzureden versuchen.
Heute hört und liest man kaum noch was von Studi-Demos, was sicherlich auch etwas damit zu tun hat, dass die Leute sich bitte alle dem Mainstream anpassen sollen, egal wie schlecht und idiotisch der ist. Mal gucken, wann uns vorgeschrieben wird, wie wir uns zu kleiden, zu lächeln und zu benehmen haben...Individualität ist leider auf dem Rückzug, während der Konformismus und das Duckmäusertum gezielt gefördert werden, denn das ist ja auch viel bequemer als sich aktiv gegen Missstände einzusetzen. Beim Konformismus ist es vielen Menschen, die dem auch noch gezielt hinterher hecheln egal, auf welchen Menschen sie herumtrampeln - Hauptsache, sie haben Vorteile und dann wird weder nach rechts noch nach links geschaut.
Massenkonformismus fördert allerdings nicht nur die Einsamkeit (auch wenn ich tausende Facebook-Freunde habe kann ich einsamer sein als mancher Senior, dessen Kinder weit entfernt wohnen und dessen Freunde bereits gestorben sind), sondern auch den Egoismus und die Schadenfreude, wenn andere, die sich dem schlechten Mainstream nicht ohne Weiteres anpassen wollen, auf die Schnauze fallen mit ihrer eigenen Meinung. Aus dem Grunde werden uns alle Nase lang in den Medien austauschbare, leere Gesichter mit Margarinelächeln, gebleachten Zähnen und stets perfekt geschminkt - auch morgens nach dem Aufwachen - präsentiert. Da stören Menschen mit Rückgrat und eigener Meinung vielfach nur in dieser stromlinienförmigen, durchgestylten Mainstream-Welt. Und wer dem Mainstream hinterher hechelt, ist leider auch sehr anfällig für merkwürdige Geisteshaltungen, denen man sich eigentlich aktiv entgegen stellen müsste anstatt sie auch noch blindlings anzubeten. Für Politiker und Wirtschaftsbosse sind solche stromlinienförmigen, angepassten Ja-Sager viel bequemer als Leute, die den Mund aufmachen und sagen, dass sie mit diesem oder jenem nicht einverstanden sind.
Zum Glück weiß ich, dass es noch eine Reihe von Menschen gibt, die sich weder den Mund noch ihr kritisches Denken verbieten lassen - mich eingeschlossen - und solange es solche Menschen noch gibt, die nicht den ganzen Tag irgendwelchem Mainstream und der eigenen Rückgratlosigkeit hinterher hecheln, besteht noch Grund zur Hoffnung :o).
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